Trauern facettenreich und bewegend in Focus gerückt

Worte und Klänge erschließen in Oberneiser Rundkirche Emotionen, die Sterben und Tod auslösen

 OBERNEISEN/RHEIN-LAHN. (6. November 2019) Den Umgang mit Tod, Trauer und Trösten aus der Tabu-Zone zu holen, dazu will die November-Aktion „Trauer mit mir“ der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) beitragen. Inhaltlich wurde sie maßgeblich vom evangelischen Dekanat Nassauer Land mit konzipiert. Zusammen mit der Propstei Rheinhessen und Nassauer Land hatte das Dekanat zu einem Nachmittag in die Rundkirche nach Oberneisen eingeladen, wo das Thema in Lesungen und Musik aufgegriffen wurde.

„Ich bin ein Gast auf Erden... Vom Trauern und Trösten in Wort und Klang“ war die Veranstaltung überschieben. Propst Dr. Klaus-Volker Schütz, Dekanin Renate Weigel, Pfarrerin Silke Funk und Pfarrer Armin Himmighofen rückten in ihren Lesungen sehr facettenreich unterschiedliche Begegnungen mit dem Tod in den Focus und gleichzeitig die damit verbundenen Gefühle von Menschen, seien sie jung oder alt. Vom mittelalterlichen Antiphon über Psalmen und Gebete bis zu Lesungen aus Jugendbüchern der Neuzeit reichte der literarische Rahmen. Hier war von der rührenden Begleitung der sterbenden Mutter zu hören, dort wurde die Gefühlswelt eines Zehnjährigen erschlossen, der am Sterbebett der Mutter die schmerzliche Wahrheit des Abschieds anzunehmen versucht, bis er in einer festen letzten Umarmung loslassen kann.

Tiefsinnig, sogar mit einem Funken Humor, eröffnete die Geschichte eines dem Tod geweihten Großvaters, der länger als ärztlich erwartet zwischen Leben und Tod schwebte, das Mysterium des Sterbens. Zorn und Hadern mit Gott kamen in einem Gebet in Verlassenheit und Todesnähe zum Ausdruck, während ein Abschnitt aus dem Roman „Hallo Mr. Gott, hier spricht Anna“ zeigte, dass Versöhnung und wahres Abschiednehmen auch nach Jahren der Wut und Trauer noch gelingen können.

Zwischen tiefem Schmerz und Versöhnung waren auch die musikalischen Beiträge ausgewählt. Der Ausschnitt einer klanglich ganz außergewöhnlichen Komposition eröffnete den Abschnitt „Wenn der Tod nahe kommt“. „Mozart in Egypt II“ von Hughes de Courson verwebt den Klang des Klassikers mit orientalischen Einflüssen. Dekanatskantor Markus Ziegler am E-Piano erschloss zusammen mit einem Streicher-Trio des Collegium Musicum die Trauer in Chorälen von Samuel Scheidt und sehr eindringlich in dem Satz „Es ist ein Schnitter heißt der Tod“ von Theodor Salzmann. So wurden die Zwischenüberschriften „Es gibt seliges Sterben“, „Wir haben unsere Müh und Not“ und „Im Trauern doch Frieden finden“ passend zu den Texten auch klangvoll erlebbar.

Ziegler weckte an der Orgel mit einer Choralvariation Georg Böhms „Ach wie nichtig, ach wie flüchtig“ ein Tändeln mit dem Tod im Gotteshaus. Pfarrer Andreas Becker ließ in seinen Saxophon-Interpretationen von „Round midnight“ und „Somewhere over the rainbow“ ebenso perfekt Gefühle aufwühlender Trauer aufschreien wie er dem versöhnlich-tröstlichen Blick jenseits des Regenbogens eine liebevoll stärkende Wärme verlieh. Gänzlich tröstlich, friedlich und hoffnungsvoll war dann die Orgelimprovisation Zieglers zum Choral „Morgenglanz der Ewigkeit“, in den die Gemeinde einstimmte. Mit dem Sonett „Abend“ von Andreas Gryphius und Luthers Abendsegen entließ Propst Schütz die Gäste, die aus dem ganzen Rhein-Lahn-Kreis nach Oberneisen gekommen waren, in Stille, aber mit erfüllten Herzen auf den abendlichen Heimweg. Bernd-Christoph Matern

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Rückten in Wort und Klang den Tod und das Trauern in der Rundkirche Oberneisen sehr facettenreich in den Focus (von links): Renate Weigel, Klaus-Volker Schütz, Armin Himmighofen, Conner Sorensen, Hannelore Birkholz, Michael Powarzynski, Markus Ziegler, Andreas Becker und Silke Funk.  Fotos: Matern