Selbstbewusst mit klarer Nächstenliebe gegen rechtspopulistische Strategien

Synode des evangelischen Dekanats Nassauer Land diskutiert aktuelles Thema und Umgang mit Stammtisch-Parolen

 RETTERT/RHEIN-LAHN. (21. November 2019) „Das wird man wohl doch mal sagen dürfen“ – dass dies ein Türöffner-Satz für Dinge ist, die man eben besser nicht sagen sollte, war nur eine vieler Erkenntnisse, die von den Synodalen des evangelischen Dekanats Nassauer Land von deren Herbsttagung mitgenommen wurde. Wie sich Demokratie stärken lässt und Tipps, wie Kirchengemeinden mit Rechtspopulismus umgehen können, waren thematischer Schwerpunkt, mit dem sich die Synodalen im Dorfgemeinschaftshaus von Rettert beschäftigten.

Matthias Blöser, Referent für die Stärkung der Demokratie beim Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) in Mainz, gab den 120 Anwesenden zahlreiche informative und hilfreiche Einblicke in die Strategien rechtspopulistischer und rechtsextremistischer Parteien, die teilweise aufgrund ihrer rassistischen und antidemokratischer Äußerungen und Überzeugungen vom Verfassungsschutz beobachtet werden, sich zudem auf „Meinungsfreiheit“ berufen, obwohl sie diese Anderen, nicht nur den Medien, absprechen. Aus gutem Grund hatte der Dekanatssynodalvorstand das Thema auf die Tagesordnung gesetzt, wie deren Vorsitzende Anja Beeres erklärte: Im Jahr 2021 stehen die nächsten Kirchenvorstandswahlen an. Was tun, wenn sich dann Menschen bewerben, die mit solchen Parteien sympathisieren oder ihnen angehören, in denen rassistische, nationalistische, völkische und ausgrenzende Überzeugungen – also jene, die dem christlichen Glauben elementar widersprechen – geäußert oder geduldet werden? Aber auch in Jugendgruppen brauche es einer Sprachfähigkeit gegenüber populistischen Tendenzen, mit denen die Gesellschaft tagtäglich konfrontiert wird.

Blösers Credo: „Nächstenliebe verlangt Klarheit“. Der Referent enttarnte rechtspopulistische und -extremistische Strategien, die sich thematischer Auseinandersetzungen und Argumentationen entziehen. Vielmehr gehe es um die Stärkung einer Opferrolle und die Verharmlosung verfassungsfeindlicher Äußerungen und Überzeugungen. „Keiner braucht meine (auch politische) Meinung zu teilen, aber Demokratie funktioniert nicht, wenn es nicht mehr möglich ist, Argumente auszutauschen.“ Das Ausspielen von Gruppen, indem diffus von „wir“ und „die“ gesprochen wird oder auch das Abwerten von Menschen müssten wach rütteln, Grenzen zu ziehen. „Wer definiert denn, wer ,wir´ und ,die´ sind?“.

Blöser warnte davor, sich von solchen Parteien instrumentalisieren zu lassen, etwa durch die Teilnahme an offiziellen Parteiveranstaltungen. Gleichzeitig sollte der Kontakt mit Sympathisanten unbedingt erhalten bleiben. „Man sollte auf die Ebenen achten; handelt es sich um den politischen Kader oder um Personen, die die Partei wählen?“, sensibilisierte Blöser für Differenzierung und forderte auf, auch im privaten Bereich nicht im „Ungefähren“ zu bleiben, sondern dem Gegenüber auf Augenhöhe zu begegnen und konkret zu werden, für was Kirche und Christen einstehen; etwa im diakonischen Handeln. „Christliche Botschaft ist menschenfreundlich, nicht neutral.“ Dazu gehöre auch, empathisch und respektvoll an der Lebensrealität des Gegenübers anzuknüpfen und dessen Fragen und Probleme ernst zu nehmen, so Blöser. „Aber die Probleme sind ja nicht gelöst, wenn wir die Grenzen für Flüchtlinge dicht machen.“ Es sei ein Unding, wenn das Einkommen für Familien oder eine Rentnerin nicht ausreicht; „aber hätten die auch nur einen Euro mehr bekommen, wenn die Flüchtlinge nicht gekommen wären?“, fragte der Referent und ermutigte, auch im privaten Bereich Stammtisch-Parolen nicht still schweigend hinzunehmen. Haltung gehöre eingeübt, gezeigt und reflektiert.

Sieben Sätze – gängige Parolen und Vorurteile, wie der oben zitierte Satz – dienten als Diskussionsstoff der Anwesenden in vielen kleinen Gruppen. Dabei wurden Ängste vor der Bildung von Parallelgesellschaften durch mangelnde Sprachkenntnisse ebenso geäußert wie die mediale Überflutung, die Menschen verunsichert und radikalen Kräften Vorschub leistet sowie Argumente, was eigentlich christliches Handeln auszeichnet. „Wichtig ist, dass die Werte nicht untergehen“, fasste Dekanin Weigel das Gespräch ihrer Gruppe zusammen, auch wenn das in Zeiten von Pauschalisierungen und der Verkehrung der Dinge nicht einfach sei. „Aber der Gott, an den wir glauben, ist der Gott aller Menschen auf dieser Erde, und dahinter gehen wir nicht zurück“, so Weigel.

Blöser hatte den Synodalen jede Menge Arbeits- und Argumentationsmaterial mitgebracht, das reißenden Absatz fand. Darunter auch eine sechsseitige Orientierungshilfe für Kirchenvorstände zum Umgang mit Rechtspopulismus, die überdies auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Arbeit im Kirchenvorstand darstellt, wie mit Menschen im Kirchenvorstand umzugehen ist, die rechtspopulistische Positionen vertreten oder einer Partei angehören, die menschenverachtende, ausgrenzende, rassistische, juden- und islamfeindliche Äußerungen macht. Bernd-Christoph Matern

Mehr Information über das Projekt Demokratie stärken und Kontaktmöglichkeiten zu Matthias Blöser finden Sie hier.

Zum Foto:
Matthias Blöser gab den Synodalen während der Herbsttagung in Rettert viele Informationen zum Umgang mit rechtspopulistischen Äußerungen in Kirchenvorständen wie im privaten Bereich. Fotos: Matern

Einen anderen Beitrag zur Herbsttagung der Synode finden Sie hier.