A FG18AussenMarschKerze becrima  

Volkstrauertag 2020: Das Friedensgebet ist nötiger denn je

Traditioneller Sternmarsch in Bad Ems weicht digitalen Bitten der Mitwirkenden von Religionen und Migrationsbeirat

BAD EMS/RHEIN-LAHN. (13. November 2020) Die Enttäuschung ist allen Beteiligten abzuspüren, als sich das Vorbereitungsteam des Sternmarschs für den Frieden in Bad Ems trifft, um aufgrund der Corona-Pandemie die Absage für die fast schon traditionelle Veranstaltung am Volkstrauertag zu besprechen. Pfarrerin Lieve Van den Ameele von der evangelischen Kirchengemeinde hat die rettende Idee: „Vielleicht bekommen wir eine digitale Version des Friedensgebets hin?“, schlägt sie den Vertretern der Religionen und des Beirats für Migration und Integration des Rhein-Lahn-Kreises und für Lahnstein vor. Die sind von dem Vorschlag nicht nur angetan: Auf YouTube wird nun am Sonntag in digitaler Form um den Frieden in nah und fern gebetet.

FriedensgebetVorbereitung10 2020 becrima Die Zahl Infizierter hatte sich zuletzt verdreifacht, bevor der November-Lockdown ausgerufen wurde. Die Absage eines analogen Treffens, an dem in den vergangenen Jahren immer um die 100 Personen und mehr teilnahmen, wäre selbst im Freien verantwortungslos gewesen, wie sich die Protagonisten einig sind. Mit Dr. Hildegard Simons, die alljährlich den Sternmarsch und das interreligiöse Friedensgebet organisiert, wissen die Vertreter der Religionen und des Kreises eine Medizinerin an ihrer Seite, die den Ernst der Lage kennt. Ihre Praxis gehört zu denen, die Corona-Tests durchführen. Umso mehr begrüßten die Anwesenden den Vorschlag Van den Ameeles und machten sich ans Werk.

Eingeleitet wird der Video-Beitrag mit dem einfühlsamen Spiel von Violine und Klavier von Dr. Thomas Reisinger und Regine Reisinger. An unterschiedlichen Orten wurden die Gebete fürs Video aufgenommen. Allen gemeinsam ist ihnen die Bitte, Krieg, Gewalt, Hass, Flucht, Ausgrenzung und Rassismus zu überwinden, im Großen wie im Kleinen. Die jüngsten Terroranschläge hätten gezeigt, wie wichtig ein Gebet für den Frieden ist, so Simons. Aber auch Politiker zeigten, wie Rücksichtslosigkeit, Machtgehabe und Egoismus die Weltordnung gefährden können. „Auch Streitigkeiten im privaten Umfeld nehmen zu“, so die katholische Organisatorin. „Wir sehen uns dem allen hilflos ausgeliefert.“ Deshalb brauche es des Aufrufs aufzustehen und mit zu beten.

„Gerade in dem, was sich zurzeit weltweit entwickelt, ist es mehr als wichtig, sich in einer Gemeinschaft für den Frieden einzusetzen über Hautfarben und Religionen hinweg“, sagt Mattias Boller vom Migrationsbeirat. „Wir alle können in unserem direkten Umfeld etwas verändern und dazu beitragen, dass die Welt ein Stück friedlicher wird.“ Fürs reale Treffen hat auch Wolfgang Dorr von der jüdischen Gemeinde ein klares Nein parat, „das sagt schon der gesunde Menschenverstand“. Gerade in Coronazeiten würden Menschen die Nähe Gottes suchen, „dass er uns hilft in unserer Not!“. Das Ungewisse mache Menschen Angst. „Üben wir uns in Toleranz gegenüber allen Menschen und Religionen“, so sein Wunsch.

Shalom, Friede und Salam

„Shalom, Friede und Salam“ heißt ebenso die Botschaft aus der evangelischen Martinskirche. „Das Martinsfenster lädt ein zum achtsamen Umgang mit allen Mitmenschen“, sagt Pfarrerin Van den Ameele. „Umkehren zum Frieden wollen wir“, bittet die Theologin, wo Spaltung die Welt entzweit und die Geschöpfe Gottes zerstört. „Wir denken an alle, die im Krieg leiden, Menschen, Tiere, und Pflanzen“. Und sie zitiert einen Jungen, der sagte: „Mit Abstand zusammen für den Frieden und gegen die Gewalt“.

Auch die Ahmadiyya-Gemeinde bedauert, dass das Friedenszeichen in diesem Jahr anders ausfallen muss. „Aber das Video ist eine gute Alternative“, sagt Sikandar Khan. Aus der Moschee bittet der Beter um Barmherzigkeit und Frieden. „Wir können nicht vom Frieden reden, wenn wir uns selbst nicht an die Regeln halten“, meint Pater Boris von der russisch-orthodoxen Gemeinde. Das Video zeigt einen Blick in die charakteristische Bad Emser Kirche. Und das Friedensgebet wird auch diesmal vom Gesang des russisch-orthodoxen Chores bekräftigt, wenn auch nur digital und nicht live in der Martinskirche.

A FMBE151115GebetKerze becrimaFroh über die digitale Alternative ist auch der katholische Pfarrer Michael Scheungraber, immerhin sei die Veranstaltung in der ganzen Region die einzige Gebetsversammlung, wo sich jeder aussprechen lässt. „Wer an Gott glaubt, kann kein Rassist sein; jeder ist ein Ebenbild Gottes.“ Der Glaube an Gott, wie immer man ihn auch nenne – Jahve, Allah oder Gott – könne von Angst befreien und zu innerem Frieden führen. „Dann kann ich auch Frieden in diese Welt hineinbringen“ erinnert Scheungraber an das dreifache Gebot der Liebe: Gott zu lieben, den Mitmenschen und sich selbst.

Über das YouTube-Video hinaus müsse ein Friedensgebet ohnehin niemals ausfallen, erklärt Wolfgang Riehl-Kolbe: „Jeder von uns kann dafür beten und etwa eine Kerze aufstellen“, so der katholische Christ, der aus der evangelischen Kirche in Hömberg spricht. Bernd-Christoph Matern

Das Video finden Sie hier.

Zum Foto:
Die Protagonisten des Bad Emser Friedensgebets (oben rechts) fanden es zwar schade, dass der reale Sternmarsch zur katholischen Martinskirche dieses Jahr nicht möglich ist wie in den Jahren zuvor (Foto oben), haben aber eine digitale Alternative in Form eines Videos auf die eine gestellt. Fotos: Matern