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Gottes Gegenwart umhüllt alle Tage unseres Lebens

Gedanken von Dekanin Renate Weigel zum diesjährigen Ewigkeitssonntag

RHEIN-LAHN. (22. November) Am heutigen Toten- und Ewigkeitssonntag wird in den Kirchengemeinden des evangelischen Dekanats Nassauer Land der Verstorbenen des vergangenen Kirchenjahres gedacht, das heute endet. Dekanin Renate Weigel hat dazu eine Andacht geschrieben. Am Ende finden Sie eine Datei zum Herunterladen, die Sie gern ausdrucken und an Interessierte weitergeben können.

 

„Und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“ Psalm 23

Ich mag Schneckenhäuschen. Ihre Form ist Vollendung, keins gleicht dem anderen.

R Weigel 15Farbgebung, Spirale, Rundungen, Oberflächenstruktur, ich komme beim Betrachten und Anfühlen aus dem Staunen nicht heraus. Der Blick hinein erhascht ein kleines Stück des Tunnels; der Rest bleibt verborgen. Das Schneckenhaus ist für mich auch eine Art „Geheimnis zum Anfassen“.

Eine vielköpfige Familie saß zusammen und betrachtete Fotos. „Wo bin ich denn auf dem Bild?“ fragte der jüngste Sohn. Die Erwachsenen antworteten eher nebenher: „Da warst du noch nicht geboren.“ Die Antwort empörte ihn. „Aber wo war ich denn, als ich noch nicht geboren war?“ rief er. Jetzt stutzten alle. Wie sollten sie eine solche Frage beantworten? Da nahm der Vater den Kleinen auf den Schoß. Er sagte nur diesen Satz: „Da warst du noch ein Geheimnis.“ Was für ein Gedanke! Das Kind war mehr als zufrieden mit der Antwort. Und die Erwachsenen fühlten noch eine Weile, dass hier etwas Wichtiges gesagt worden war.

Unser Leben fängt an mit einem Geheimnis. Und es endet mit einem Geheimnis. Zwischen Geheimnis und Geheimnis sind unsere Tage ausgespannt. Ich kann auch sagen: zwischen Gott und Gott. Wir kommen von ihm, und wir gehen zu ihm. Dazwischen haben wir viel zu erleben, zu kämpfen, zu erleiden. Was ist das Leben? Darüber denken Menschen in der Bibel von alters her nach. Sie sind nicht der Meinung wie wir Heutigen, dass dieses Leben alles sei und alles erfüllen müsse. Sie sehen der Vergänglichkeit und der Verletzlichkeit viel klarer ins Auge: „Alles ist eitel“, „Haschen nach Wind“, der Mensch ist „wie Gras“, wie eine „Blume auf dem Felde“.

Wie kann ich diese beständige Nähe zum Tod aushalten?

Ich bestaune auch, wie wunderbar die Schnecke eingerichtet ist: Sie hat ein Haus. Es ist besonders: „Die Schnecke baut ihr Haus nicht, es wächst ihr aus dem Leib.“ (Georg Christoph Lichtenberg).

Die Schnecke hat ihren Schutz immer bei sich. Wenn sie will, schaut sie aus dem Haus und zieht los. Wenn sie anders will, zieht sie sich ins Innere Zurück und ist aus dem Blick. Wir haben nur unsere Haut. Für den Schutz bauen wir Steinhäuser. Psalm 23 weiß aber noch von einem anderen Haus, dem Schneckenhaus in mancher Hinsicht verwandt. Wir müssen es nicht bauen, es ist da und umgibt uns zu jeder Zeit. Gottes Gegenwart umhüllt „alle Tage unseres Lebens“, Gottes Mit-Uns gilt „immerdar“.

Dieses „Haus“ geht mit! Ich kann mich hervorwagen und es durch die Welt tragen. Ich kann mich im Gebet hinein verkriechen.

Auch wenn wir vom Ursprung des Lebens und von unserem Ende nur in Bildern sprechen können, auch wenn da bei aller naturwissenschaftlichen Erkenntnis ein Geheimnis, etwas Unverfügbares bleibt, können wir doch im Leben und im Sterben zuhause sein. Im Zuhause Gottes ist Platz für die Verstorbenen und für die Lebenden.

Gebet:

Ich bin gern bei dir zu Hause, Gott.

Da darf ich sein. Du bist Liebe.

Da bin ich nicht allein. Du bist mein Trost.

In dein Zuhause lege ich mich und alle, an die ich heute denke. Amen.

 

Hier können Sie die Andacht herunterladen und ausdrucken.