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Pfarrer macht Pause vom Ruhestand für Dienst in zehn Ortschaften

Olaf Becher aus Kaub übernimmt halbe Stelle für evangelische Kirchengemeinden Oberwallmenach und Welterod

WELTEROD/RHEIN-LAHN. (22. Februar 2021) Dass pensionierte Pfarrpersonen auch im Ruhestand noch Gottesdienste und Kasualien übernehmen, ist weit verbreitet. In den evangelischen Kirchengemeinden Welterod und Oberwallmenach gab es jetzt allerdings ein Novum: Pfarrer Olaf Becher, der seit drei Jahren im Ruhestand in Kaub lebt, ließ sich für seinen vorübergehenden Dienst in dem vakanten Kirchspiel mit zehn Ortschaften mit halber Stelle in den aktiven Dienst zurück versetzen. Dekanin Renate Weigel segnete den 66-Jährigen in einem Corona-konformen Gottesdienst in der Welteroder Kirche für seinen Dienst. Vorgängerin Claudia Biester hatte die Pfarrstelle im Mai vergangenen Jahres verlassen.

Als Wegbereiter und „Beziehungsanbahner“ für die Entwicklung der Gemeinden sprach Weigel den erfahrenen Theologen an. Als praktisch denkenden Menschen, der mit beiden Füßen auf dem Boden steht, habe sie Becher kennen gelernt, jemand, der zuhören kann und von einem Gott spricht, der mitten im Alltag ist. Das erleichtere den Weg zu Gott, auch in Wüsten-Zeiten. Becher selbst holte einen fast 2000 Jahre alten Bibeltext, der vor falschen Lehrern in Krisenzeiten warnt, in die Corona-Gegenwart. „In unsicheren Zeiten hat man schon immer nach einfachen Lösungen gesucht und die Welt in Schwarz und Weiß eingeteilt“, so der Theologe. Klug ausgedachte Geschichten, die heute als Fake-News bezeichnet werden, habe es vor 1900 Jahren schon gegeben; Gott als grausamen Herrscher darzustellen, sei so eine schräge Theorie gewesen. Damals, als Christen vor den Römern Angst hatten, wie heute in der Furcht und Perspektivlosigkeit, die die Pandemie verursacht, dürften sich Christen der Nähe Gottes gewiss sein und darauf freuen, „dass die Dunkelheit der Pandemie überwunden wird“.

PfrOlafBecher3101 2021Portrait becrimaIhm sei jetzt daran gelegen, die Menschen kennen zu lernen, auch wenn das derzeit schwierig ist, so Becher. Vor allem will er helfen, Leben und Gemeinschaft in die zehn Ortschaften zu bekommen, „die gerade in unseren Dörfern so wichtig ist“. Die beiden Kirchengemeinden habe ihr die Dekanin nicht besonders schmackhaft machen müssen, berichtet Becher. Sie würden seiner ersten Pfarrstelle im hohen Vogelsberg sehr ähneln, wo er sich „sehr sehr wohl gefühlt“ habe. Aufgewachsen ist Becher im Goldenen Grund. Nach seinem Abitur in Diez 1974 studierte er in Marburg Theologie und Religionswissenschaft und arbeitete nebenbei in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Ein Arbeitsfeld, das er nicht nur als Erzieher in einem Kinderheim näher kennen lernte; auch später kümmerte er sich um Jugendliche, die etwa Probleme mit Drogen hatten.

Um sich um seine pflegebedürftige Tante auf Mallorca zu kümmern, ließ er sich zwei Jahre beurlauben. Als er auf der Insel, die ihm zur zweiten Heimat geworden ist, in der Gastronomie arbeitete, um Geld zu verdienen, kam ihm die Idee, auch als Pfarrer nur eine halbe Stelle anzutreten und in der übrigen Zeit etwa als Reiseleiter mit Touristen in EinBecher310221 DrBirker becrima Kontakt zu kommen. Zurück in Deutschland setzte er dies als Schulpfarrer in Alsfeld um, erteilte Religionsunterricht und baute verbunden mit Schülersozialarbeit eine Cafeteria in der Schule auf. Dem abermaligen Aufenthalt in Mallorca folgte dann vor drei Jahren der Kauf eines alten Fachwerkhauses in Kaub, wo er die vakante Kirchengemeinde ebenfalls lange Zeit unterstützte.

Dr. Klaus Birker (links) dankte im Namen des Kirchenvorstands für Bechers zunächst für acht Monate vorgesehene Pause vom Ruhestand: „Sie hätten ja auch Nein sagen können“, so Birker, der sich auf die Zusammenarbeit freut. Bernd-Christoph Matern

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Dekanin Renate Weigel segnete den Pfarrer im tatsächlichen Unruhestand für seinen Dienst in den beiden Kirchengemeinden Welterod und Oberwallmenach, zu denen zehn Orte gehören. Foto: Matern