Tietz: Alle Menschen brauchen Hilfe von anderen Menschen
175 Jahre Stiftung Scheuern: Zum großen Fest in Nassau mit hunderten Gästen verzogen sich sogar die Wolken
NASSAU/RHEIN-LAHN. (30. Mai 2025) Mit hunderten Gästen hat die Stiftung Scheuern am Sonntag ihr 175-jähriges Bestehen gefeiert. Den Auftakt machte ein Festgottesdienst, der aufgrund der Wettervorhersage kurzfristig von der Wiese in den Versammlungsraum der Stiftung verlagert wurde. Die fröhliche Feier auf der Festwiese konnte dann wider Erwarten doch ohne Regen über die Bühne gehen.
„You'll never walk alone“ erschallte es lautstark während des Gottesdienstes, den ein Projekt-Posaunenchor des Dekanats Nassauer Land unter Leitung von Petra Weigand musikalisch begleitete. Das passte zur Festpredigt von Christiane Tietz, Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). „Alle Menschen sind hilfsbedürftig. Alle Menschen brauchen Hilfe von anderen Menschen“, betonte sie, als sie über biblische Verse aus dem 16. Johannes-Evangelium predigte. Der handelt von menschlichen Wünschen, großen und kleinen, und dem Mut, den der Glaube gibt, eine manchmal Angst machende Welt gemeinsam miteinander zu überwinden.
„Ich glaube, Gott hat hier in Scheuern große Wünsche gehört. Viele Menschen haben sich gewünscht, dass es diesen Ort gibt. Viele Menschen haben Gott gebeten, dass Inklusion hier wirklich wird. Gott hat die Bitten von den Menschen gehört.“, sagte Tietz. Und die Menschen in Scheuern hätten in den 175 Jahren nicht nur gebetet, sondern auch gehandelt. „Sie haben einen Ort geschaffen, an dem Inklusion wirklich ist.“ Jeden Tag werde dafür gearbeitet, dass Menschen ihren Lebensraum passend gestalten können. Wichtig sei ebenso, Gott zu entdecken, „im warmen Lächeln eines Menschen oder wenn jemand einen anderen Menschen tröstet“, so die Theologin. Ebenso sei Gottes Kraft zu spüren, wenn eine Gruppe von Menschen laut lache, wenn getanzt oder zusammen gesungen werde.
Davon gab es beim Jubiläumsfest reichlich. Der theologische Vorstand der Stiftung Pfarrer Gerd Biesgen griff selbst zur Gitarre, bevor der Stiftungsratsvorsitzende Kristian Brinkmann die Gäste begrüßte und darauf hinwies, dass Inklusion aktuell wieder bedroht sei. „Aber wer 175 Jahre überdauert hat, wird sich auch bei Gegenwind behaupten“, zeigte er sich zuversichtlich. Bernd Feix, pädagogischer Vorstand der Stiftung, bat einige Ehrengäste um ein Grußwort, so etwa die rheinland-pfälzische Sozialministerin Dörte Schall. Die rief dazu auf, Menschen so anzunehmen wie sie sind und unterstrich die Bedeutung der Demokratie, ohne die Gleichberechtigung nicht möglich sei. Landrat Jörg Denninghoff sowie der SPD-Landtagsabgeordnete und Nassauer Stadtbürgermeister Manuel Liguori betonten die segensreiche Arbeit der Stiftung für die Region und das gute Miteinander.
Das evangelische Dekanat Nassauer Land gratulierte mit einem großen bunten Schirm in Regenbogenfarben, auf dem „gemeinsam unterwegs“ geschrieben steht. „Bunt wie das Leben, bunt wie wir“, sagten die stellvertretende Dekanin Maike Kniese und der stellvertretende Vorsitzende der Dekanatssynode Ulrich Werner und erklärten: „Wir in der Kirche und die Diakonie sind gemeinsam unterwegs“. Die Stiftung sei wichtig und wertvoll, weil dort wichtige und wertvolle Menschen leben und arbeiten.
Fröhliche Gemeinschaft war anschließend auf der dicht bevölkerten Festwiese der Stiftung zu spüren. Dort gab es nicht nur Mittagessen. Rundherum präsentierten sich Einrichtungen, Institutionen und diakonische Angebote aus der ganzen Rhein-Lahn-Region. Ein kurzweiliges Rahmenprogramm mit Tanzgruppen, Musik und einem die wechselvolle Geschichte der Einrichtung vor Augen führenden Schauspiel unterhielt die große Geburtstagsschar und sorgte für lauten Beifall.
Schon am Freitagabend war das Jubiläumswochenende mit einem Auftritt des Duos „2Flügel“ in Nassau eingeleitet worden. Die bewegende Mischung aus Konzert und Lesung mit Christina Brudereck und Ben Seipel begeisterte die Menschen in der voll besetzten Nassauer Stadthalle. Bernd-Christoph Matern
Wer mehr über die bewegende 175-jährige Geschichte der Stiftung Scheuern erfahren möchte:
Hier lässt sich eine digitale Jubiläums-Festschrift herunterladen.
Zu den Fotos:
Auch hochrangige Vertreterinnen aus Kirche und Politik wie Kirchenpräsidentin Christian Tietz (2. von rechts) und die rheinland-pfälzische Arbeits- und Sozialinisterin Dörte Schall (5. von links) unterstrichen mit ihrem Besuch, wie wichtig die Stiftung Scheuern für ein gelingendes und selbstbestimmtes Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung im Land ist.
Tanzgruppen unterhielten die Gäste ebenso wie ein bewegendes Schauspiel zur Geschichte der Stiftung, das von deren Bewohnerinnen und Bewohnern aufgeführt wurde.
Dass Inklusion nicht nur in Nassau und der Rhein-Lahn-Region gelebt wird, zeigte der Stand des Arbeitskreises Nassau-Mabira, der dort unter anderem an sein Majua-Projekt erinnerte, mit dem Kinder mit einer Beeinträchtigung in dem tansanischen Partnerdistrikt des Dekanats aus ihrem Schattendasein geholt werden sollen. Fotos: Lisa Treusch (1)/ Bernd-Christoph Matern