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Christliche Palästinenserin: Glaube gibt Kraft und Hoffnung

Dekanat lud zum Vortrag in Bad Ems: Hiam Abu-Dayeh schildert Situation im stark zergliederten Westjordanland

 BAD EMS/RHEIN-LAHN. (3. Dezember 2025) Fast 15 Jahre ist es her, da trafen sich junge Leute aus Palästina, Israel und Deutschland im Rhein-Lahn-Kreis, um sich kennen und gegenseitig vertrauen zu lernen. Es waren zwei intensive Wochen, die von der evangelischen Jugend und der Initiative 55plus-minus im Dekanat Nassauer Land auf die Beine gestellt wurden, der einen Funken Hoffnung für ein friedliches Zusammenleben in Nahost bescherte. Und heute? Das Ausmaß der Zerstörung im Gaza-Streifen, die mit dem Terroranschlag der Hamas auf Israel in Gang gesetzt wurde, wirkt gigantisch, das unermessliche Leid und Elend der dort lebenden Menschen ist nur zu erahnen.

VortragPalaestina021225Hoch becrima Hiam Abu-Dayeh, eine christliche Palästinenserin aus Beit Jala bei Bethlehem in der Westbank, schilderte auf Einladung der Ökumene-Pfarrerin des evangelischen Dekanats Nassauer Land Antje Müller in der Brunnenhalle Bad Ems die aktuelle Situation in den palästinensischen Gebieten. „Ohne meinen Glauben an Gott könnte ich nicht weiterleben, wäre ich hoffnungslos“, zog sie am Ende ihres Vortrags Bilanz. „Aufgeben ist keine Lösung. Dazu gibt mir der Glaube Kraft.“ Die aus ihm zeugende Hoffnung müsse sie an die Kinder weitergeben, sagte Abu-Dayeh. Konkret sind das Kinder, die in „Abrahams Zelt“, einem Sozialprojekt in der Evangelisch-Lutherischen Reformationskirche in Beit Jala, betreut und unterrichtet werden. Sie stammen aus sozial benachteiligten Familien. Ihnen werden ohne Ansehen der Konfession und Religion Hausaufgaben-Betreuung, Lernhilfen und kindgerechte Aktivitäten angeboten. Die studierte Sozialarbeiterin und Psychologin, die auch einige Jahr als Reiseleiterin arbeitete, leitet das Projekt seit vier Jahren und weiß: „Bildung ist so wichtig“.

Dann schilderte die Referentin den Alltag in den völlig zergliederten palästinensischen Gebieten des Westjordanlandes. Tausend Checkpoints erschweren den Weg zu Verwandten und zur Arbeit, hinzu komme seit Jahren eine Besetzung fruchtbarer Gebiete und die fortschreitende Ausbreitung und Aggression von israelischen Siedlern. Und sie erinnerte ans massenhafte Sterben im Gazastreifen. „Für mich ist der Mensch wichtig“, so Abu-Dayeh, die betonte, dass Widerstand als Terror falsch sei. Aber ihr breche das Herz, wenn sie an die zigtausend getöteten und schwer verletzten Kinder denke, an zehntausende, die ihre Eltern verloren haben und an die Massengräber. Es sei schwierig, sich das in Deutschland vorstellen zu können, wo eher hohe Preise problematisiert würden.

VortragPalaestina021225Schnitzerei01 becrima „Ich erinnere mich noch, wie wir 1993 vor Freude und Hoffnung gejubelt haben“, blickte sie zurück auf die Unterzeichnung eines Selbstverwaltungsabkommens, an der US-Präsident Bill Clinton und die später ermordeten Jitzchak Rabin als damaliger Ministerpräsident Israels und PLO-Führer Jassir Arafat teilnahmen. „Aber es hat uns nichts gebracht.“ Trotz der aktuell existenziellen Sorgen will sie aber die Hoffnung auf Verständigung und ein friedliches Miteinander von Juden, Christen und Muslimen nicht aufgeben. Es brauche eine Zwei-Staaten-Lösung, auch wenn der Platz für ein Palästina immer kleiner werde. „Wir brauchen einander. Israel braucht die Palästinenser, Palästinenser brauchen Israel“, beschrieb Abu-Dayeh die wirtschaftliche Abhängigkeit voneinander. „Das Glück des einen Volkes hängt vom Glück des anderen Volkes ab.“, zitierte sie die Vision von Pfarrer Jadallah Shihadeh, dem einstigen Gründer von Abrahams Herberge, einer Begegnungsstätte für überwiegend junge Christen, Muslime und Juden, von der auch Abrahams Zelt ins Leben gerufen wurde.

VortragPalaestina021225Dekanin becrima Drei Wochen vor Weihnachten stellte die Christin fest: „Bethlehem ist tot“. Sie bezog das vor allem auf den touristischen Einbruch, auf den die Menschen in der Geburtsstadt von Jesus wirtschaftlich angewiesen sind. Umso mehr liege ihr am Herzen, die christlichen Händler, die noch in der Stadt geblieben sind, durch den Verkauf von Schnitzereien zu unterstützen, wovon die Besucher in Bad Ems reichlich Gebrauch machten. An christliches Hoffen und die gegenseitige Abhängigkeit erinnerte Dekanin Kerstin Janott, die den Abend moderierte: „Wir sind als Menschen alle aufeinander angewiesen.“

Ob es irgendwann wieder ein friedliches Miteinander zwischen jungen Palästinensern und Israelis, zwischen Christen, Juden und Muslimen aus dem „Heiligen Land“ geben wird? Die Hoffnung bleibt. Bernd-Christoph Matern

Zu den Fotos:
Auf Einladung des Dekanats referierte Hiam Abu-Dayeh über die aktuelle Situation im „Heiligen Land“. Die christliche Palästinenserin berichtete über die Zerstückelung des Westjordanlandes und dass ihr nur noch der Glaube Kraft zum Hoffen gebe. Mit dem Verkauf von kunstvollen Schnitzereien aus Bethlehem soll der dort zum Erliegen gekommene Handel unterstützt werden. Fotos: Matern