Tränen sind wichtig

RHEIN-LAHN. (1. April 2020) In der Fasten- und Passionszeit öffnen sich normalerweise die Kirchentüren zu regelmäßigen Passionsandachten. Dies ist zurzeit nicht möglich. Deshalb schreibt Dekanin Renate Weigel in jeder Woche bis Gründonnerstag für diese Website eine Passionsandacht. Sie finden diese auch in einer gestalteten PDF-Datei am Ende des Beitrags, die Sie gerne ausdrucken und an Interessierte in Ihrer Umgebung in den Briefkasten einwerfen können. In der zweiten Passionsandacht geht es diesmal um Tränen.

 

„Während er noch redete, krähte der Hahn. Und Jesus wandte sich um und sah Petrus an. Und Petrus dachte daran, wie er zu ihm gesagt hatte: Ehe heute der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich.“  (Lukas 22, Vers 60.2 bis 62)

 

Tränen sind in unserer Gesellschaft nicht hoch angesehen. Am Ende eines Seminars zum Thema „Sterbebegleitung“ gibt ein junger Pflegeschüler die Rückmeldung: „Ich fand es nicht gut.“ Auf die Frage: „Was fanden Sie nicht gut?“ antwortet er: „Ich musste weinen.“

Auch bei Beerdigungen erlebe ich es, dass Angehörige vorher Beruhigungsmittel einnehmen. Sie wollen vor den Leuten nicht in Tränen ausbrechen.

Dabei gibt es gute Gründe zum Heulen: Wenn mir ein lieber Mensch stirbt. Wenn ich einen Angehörigen im Seniorenheim nicht besuchen kann. Wenn ich nicht zur Beerdigung darf. Wenn ich um meine berufliche Existenz bange. Mir fällt auch die Situation der Flüchtlinge in Griechenland ein. Oder die täglichen Tiertransporte ins Ausland, die dieser Tage lange in Grenzkontrollen feststecken. Soll ich dazu etwa sagen „Alles ist gut!“ ?

Petrus weint, weil er sich schämt. Er ist einer der Jünger Jesu und gerne vorne dabei. Petrus will von Jesus geliebt werden. Aber er will ihn auch siegen sehen. Als er dem gefangengenommenen Jesus nachschleicht, wird er mehrmals angehalten: „Du gehörst doch auch zu ihm.“ Jedes Mal leugnet er:

„Ich kenne den überhaupt nicht.“ Dann kräht der Hahn. Und Jesus schaut ihn an.

Nicht nur feige versagt zu haben, nein, auch noch dabei ertappt worden zu sein, das ist zu viel für Petrus. „Er ging hinaus und weinte bitterlich.“

Gut, dass Petrus weinen konnte. Sonst hätte er sich vielleicht wie Judas das Leben genommen.

Haben Sie schon einmal von den „Tränenkrüglein“ gehört? Sie sind als Grabbeigaben gefunden worden. Die Tränensaat des Lebens sollte im Jenseits aufgehen und Frucht bringen. Tränen galten zu anderen Zeiten als kostbar. Die Bibel weiß auch davon: „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.“, heißt es im Psalm 126. Und an anderer Stelle: „Sammle meine Tränen in deinen Krug; ohne Zweifel, du (Gott) zählst sie.“ Psalm 56

Tränen sind wichtig. Tränen sind ehrlich. Unsere Gefühle lügen nicht. Hinter ihnen verbergen sich unsere tiefsten Wünsche und Bedürfnisse. Deshalb brauchen die Tränen einen Ort und verdienen unseren Respekt.

Der beste Ort für unsere Tränen ist das Gebet. Wir vertrauen sie Gott an. Wir nehmen uns mit unseren Tränen ernst, so, wie er es tut. Wir versuchen in seiner Gegenwart zu verstehen, was sie uns sagen und wie sie uns auf unserem Weg weiterführen.

Ein Gebet: 

Lebendiger Gott,

du kennst mich und weißt, worauf ich stolz bin und was ich anderen gerne zeige.

Du siehst auch, wofür ich mich schäme und was ich lieber verberge.

Ich vertraue mich dir an. Danke, dass ich vor dir ganz sein darf.

Schenke mir, dass ich lachen und weinen kann.

Diese zur Andacht passenden Lieder aus dem Evangelischen Gesangbuch (EG) können Sie laut oder leise singen oder lesen:

  • EG 584 Meine engen Grenzen
  • EG+ 105 Du bist meine Zuflucht
  • Am Abend: EG 484 Müde bin ich, geh zur Ruh

Hier können Sie die Andacht zum Ausdrucken herunterladen

 

Die 1. Passionsandacht von Dekanin Weigel zum Thema "Die kleinen Akte der Liebe sind gefragt" finden Sie hier

Zum Foto:
Das Bild zeigt ein Fenster von Rudolf Fuchs in der evangelischen Johanniskirche Nassau: Die Gefangennahme Jesu.