
Viertel der Kirchensteuer in Hessen und Nassau für Soziales und Bildung
EKHN-Synode verabschiedet erstmals Doppel-Haushalt mit 1,5 Milliarden – 50 Millionen Euro für Kitas
FRANKFURT/RHEIN-LAHN. (5. Dezember 2023) Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat am Samstag während ihrer Herbsttagung in Frankfurt zum Abschluss den ersten Doppelhaushalt ihrer Geschichte mit einem Volumen von insgesamt fast 1,5 Milliarden Euro verabschiedet. Das Budget sieht für 2024 etwa 737 Millionen Euro und für 2025 knapp 744 Millionen Euro vor. Insgesamt ein Viertel der Kirchensteuern wendet die EKHN für die Bereiche Diakonie, Kinder, Jugend und Familie sowie Bildung und Erziehung auf.
So sind pro Jahr fast 50 Millionen Euro an Eigenmitteln für die Arbeit in Kindertagesstätten vorgesehen. Ausgebaut wurde der auf etliche Jahre angelegte Zukunftsfonds über insgesamt 46 Millionen Euro. Mit ihm sollen in den kommenden Jahren besondere Aufgaben unter anderem beim Klimaschutz, in der Digitalisierung oder bei der Suche nach Fachkräften verstärkt angegangen werden.
Als größte Posten im Haushalt gelten die Personalaufwendungen in Höhe von jährlich jeweils rund 330 Millionen Euro. Für die Arbeit auf Gemeinde- und Dekanatsebene sind in den neuen Etats pro Jahr rund 340 Millionen Euro an Zuweisungen eingeplant. Kirchengemeinden und Dekanate erhalten angepasste Zuweisungen zum Ausgleich von Mehrbelastungen und einen Inflationsausgleich. Der vorgelegte Haushaltsplan rechnet in den kommenden beiden Jahren mit nahezu gleichbleibenden Kirchensteuerreinnahmen von 540 beziehungsweise 543 Millionen Euro. In diesem Jahr werden die Kirchensteuern voraussichtlich bei rund 530 Millionen Euro liegen. Zur Deckung des Budgets müssen im Doppelhaushalt 2024/2025 voraussichtlich jeweils 20 Millionen Euro aus den Rücklagen entnommen werden.
Die Synode votierte dafür, den im Zukunftsprozess ursprünglich vorgegebenen Sparkorridor beizubehalten. Finanzielles Ziel von „ekhn2030“ ist es, den kirchlichen Haushalt ab 2030 strukturell um 140 Millionen Euro jährlich zu entlasten. Als Basisjahr gilt 2021 mit einem Haushaltsvolumen von knapp 700 Millionen Euro.
Zum Abschluss wurde am Samstag noch einmal intensiv am umfassenden Zukunftsprozess „ekhn2030“ weitergearbeitet. Mit dem Projekt will die EKHN dem tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel und Rückgang der Mitglieder entgegenwirken. Dabei bleibe es zentrales Ziel, „eine kleiner werdende Kirche neu zu gestalten“, und zwar so, dass auch „die nächste Generation noch Möglichkeiten hat, innovativ zu arbeiten und Kirche weiterzuentwickeln“, erklärte EKHN-Kirchenpräsident Volker Jung. Es stehe bei „ekhn2030“ weiter „das Bild einer Kirche vor Augen, die eine öffentliche und offene Kirche ist und in vielfältiger Gestalt nah bei den Menschen bleibt“, sagte der Kirchenpräsident.
Eine wichtige Grundlage sei dabei beispielsweise die bereits gelungene Bildung von 160 sogenannten „Nachbarschaftsräumen“. Im evangelischen Dekanat Nassauer Land wurden bereits im Frühjahr fünf Nachbarschaften beschlossen, die teilweise sehr intensiv ihre künftige Zusammenarbeit entwickeln.
Digitalisierungsprojekt für stärkere Zusammenarbeit
Hilfreich für die Nachbarschaften und Gemeinden im Nassauer Land ist auch ein umfassendes Digitalisierungsprojekt, für das die Synode 25 Millionen Euro bis zum Jahr 2030 bewilligte. Eines der Herzstücke des Projektes ist nach Worten des Leiters der Kirchenverwaltung Lars Esterhaus unter anderem, Hard- und Software zentral zu beschaffen sowie Support- und Beratungsangebote für Gemeindebüros gebündelt zur Verfügung zu stellen. Zudem soll ein elektronisches Dokumentenmanagement eingeführt werden, das Haupt- und Ehrenamtlichen ortsunabhängige Zusammenarbeit ermöglicht. Esterhaus hofft, dass am Ende damit „das Arbeiten in unserer Kirche deutlich vereinfacht und vor allem zu Erleichterungen für Ehrenamtliche in der Fläche führen wird“.
Gesamtkirchliche Pfarrstellen gestrafft
Die Synode beschloss eine Anpassung der Pfarrstellen bei gesamtkirchlichen Aufgaben. Dazu gehören beispielweise besondere Positionen in der Spezialseelsorge, Religionspädagogik oder der Kirchenleitung. Analog zu den Plänen für Gemeinden muss auch hier die Zahl der gesamtkirchlichen 142 Pfarrstellen bis 2029 um 25 Prozent reduziert werden. Unter anderem wird die Stelle der geschäftsführenden Pfarrerin des Landesverbands der Evangelischen Frauen entfallen. Aber auch die Leitungsstellen um den Kirchenpräsidenten, die Stellvertretende Kirchenpräsidentin und die fünf Pröpstinnen und Pröpste sowie deren Unterstützung wird von elf auf acht Positionen gestrafft. Mit Blick auf die Zukunft der Kirche sollen aber vier neue Stellen geschaffen werden, die die Lebenswelten junger Erwachsener und von Familien besser in den Blick nehmen sollen.
Zudem will die EKHN mit einem auf fünf Jahre ausgelegten Projekt zur Personalgewinnung und Personalbindung dem absehbaren Fachkräftemangel auch in kirchlichen Berufen trotzen. Längst fehlen in der evangelischen Kirche nicht nur Pfarrpersonen und Fachkräfte in Kindertagesstätten. Der Mangel beginnt inzwischen alle Berufsgruppen zu durchziehen. Die Synode beschloss dazu ein zwei Millionen-Programm.
Nach einer engagiert und teils hoch emotional geführten Diskussion am Freitag und Samstag hat die Synode entschieden, die künftigen Zuweisungen an die Diakonie im Rahmen ihres Zukunftsprozesses „ekhn2030“ neu zu ordnen. Bei der Regionalen Diakonie in Hessen und Nassau mit ihren Hilfseinrichtungen vor Ort wird ab 2025 eine Sparlinie von stufenweise zwölf Prozent bis zum Jahr 2030 wirksam.

Wir wollen nicht nur als Sparkirche wahrgenommen werden
Synodale aus dem Dekanat Nassauer Land hoffen auf inhaltliche und nachbarschaftliche Freiräume
FRANKFURT/RHEIN-LAHN. Als „äußerst anstrengende“ Synode empfanden die drei Vertreterinnen aus dem evangelische Dekanat Nassauer Land die Herbsttagung in Frankfurt, nicht nur, weil die Beratungen teilweise bis in den späten Abend dauerten. „Wir haben uns die Entscheidungen wirklich nicht leicht gemacht“, sagte Astrid Ellermann (Auel). Im Ergebnis sehe es zwar so aus, als sei überall etwas gekürzt worden. „Das stimmt aber nicht, es wurde sehr gezielt überlegt, wo gespart werden könnte. Mir persönlich wird noch zu wenig in der Verwaltung gekürzt, da sollten einfach Aufgaben wegfallen, aber vielleicht ist die Zeit noch nicht reif“, so die Synodale. Ob es sinnvoll ist, über den Zukunftsfond Investitionen zu tätigen, die der Verwaltung dienen, werde erst die Zukunft zeigen. „Wir werden sehr genau hinschauen.“
„Wenn es nur ums Sparen geht, darf man die inhaltlichen Schwerpunkte nicht aus den Augen verlieren“, meinte Ute Feuerstake (Nassau), die drauf hinwies, dass die ehrenamtlichen Ressourcen an ihre Grenzen kommen. Nur über Zahlen zu reden, könne da allein nicht motivierend wirken. „Wir wollen nicht nur als Sparkirche wahrgenommen werden“, erklärte Pfarrerin Nicole Wiehler (Gemmerich). Umso wichtiger findet sie die Investition ins Digitalisierungsprojekt. Gerade im Dekanat Nassauer Land könne das in vielen Bereichen lange Wege ersetzen, um mit der Zeit zu gehen und die Lebenswirklichkeit der Menschen zu berücksichtigen. „Warum muss man heutzutage denn noch für einen Patenschein ins Pfarrbüro laufen? Wir haben doch alle Daten“, nennt Wiehler ein Beispiel. Die Digitalisierung sorge zudem für eine bessere Vernetzung der Gemeinden untereinander.
Die Vernetzung unter den Gemeinden ist auch analog im Dekanat in vollem Gange. Für Astrid Ellermann eine gute Möglichkeit, die Zukunft der Kirche zu sichern. „Jetzt sind die Kirchengemeinden gefragt, daraus das Beste zu machen.“ Einfach werde es aber nicht. Dazu müsse die Gesetzgebung auch noch etwas angepasst werden, erklärte Pfarrerin Wiehler. „Derzeit müssen alle Kirchengemeinden einer Nachbarschaft zustimmen, wenn beispielsweise ein gemeinsames Gemeindebüro eingerichtet werden soll“, nennt sie ein Beispiel, was motivierte Gemeinden bremse. „Warum sollten sich die, die wollen, nicht zusammen tun dürfen; dann können die anderen später dazu kommen.“ Bernd-Christoph Matern
Zu den Fotos:
Nicht nur übers Sparen beriet die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau während ihrer Herbsttagung in Frankfurt. Auch Investitionen in die Zukunft wurden beschlossen. Die Synodalen aus dem Dekanat Nassauer Land blickten trotz herausfordernden Debatten zuversichtlich in die Zukunft. Fotos: Matern
