
Junge Menschen in Blick nehmen und Flüchtlingsdebatte versachlichen
Kirchensynode fällt wichtige Entscheidungen: Jugend checkt Beschlüsse, keine Personen-Obergrenze für Vorstände
FRANKFURT/RHEIN-LAHN. (6. Dezember 2024) Eine prall gefüllte Tagesordnung prägte die Herbsttagung der Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Eigene Beiträge zum Klimaschutz wurden beraten, die Flüchtlingssituation und Maßnahmen zur Prävention sexualisierter Gewalt. Und auch die Interessen der Jugend wurden während der Tagung gestärkt.
„Positiv finde ich beispielsweise, dass für die nächste Kirchenvorstandswahl im Juni 2027 auch Jugendliche wahlberechtigt sind, die erst am 1. September das 14. Lebensjahr vollenden“, sagte Nicole Wiehler, Synodale des evangelischen Dekanats Nassauer Land, nach der viertägigen Tagung. Das bedeute, dass der dann aktuelle Konfi-Jahrgang im Frühjahr bereits für die Wahl sensibilisiert werden kann. Wichtig hält sie auch eine Änderung bei der Zahl der zu wählenden Kirchenvorstandsmitglieder, die sich an der Mitgliederzahl der Evangelischen orientiert. „Es gibt nur noch ein Minimum an Personen, die ihm angehören müssen, aber keine Obergrenze mehr.“
Im Sinne der Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen wurde ein so genannter Jugendcheck beschlossen. Vertreterinnen und Vertreter der Evangelischen Jugend in Hessen und Nassau sollen beratend in den Entstehungsprozess von Verordnungen und Kirchengesetzen eingebunden werden und so eine wirkungsorientierte Gesetzesfolgenabschätzung aus Sicht der Jugend einbringen. Er soll nach einem Jahr evaluiert werden, um zu sehen, ob es etwas bringt, so Wiehler.
Kirchensynode und Kirchenleitung hatten außerdem einmütig eine Resolution verabschiedet, die fordert, die Debatte über Migration und Geflüchtete zu versachlichen. „In der aktuellen Debatte werden vielfach Fakten verdreht, wird pauschalisiert, wird bewusst Stimmung gegen Geflüchtete gemacht und werden mittlerweile Menschenrechte und rechtsstaatliche Prinzipien offen infrage gestellt“, heißt es darin. Hier finden Sie den Text im Wortlaut. Die Resolution wurde auch an die hessische und die rheinland-pfälzische Landesregierung gegeben.
„Pauschale Abschiebungen sind in der Realität oft keine Lösung, und Menschen, die Flüchtlingen helfen, sind nicht automatisch kriminelle Schlepper. Migration ist ein Bestandteil unserer christlich-jüdischen Tradition. Unsere Gesellschaft braucht Migration, um sich weiterzuentwickeln und zu bestehen. Ich freue mich über die Klarheit, mit der Synode und Kirchenleitung dies zum Ausdruck bringen“, kommentierte Birgit Pfeiffer, Präses der Kirchensynode der EKHN.
Daran anknüpfend entschied die Synode, den 2014 eingerichteten Flüchtlingsfonds der EKHN mit weiteren 3,39 Millionen Euro aufzustocken und seine Laufzeit bis 2030 zu verlängern. Diesen Fonds hat die EKHN in den vergangenen zehn Jahren mit insgesamt 23,9 Millionen Euro ausgestattet, um eine unabhängige Asylberatung im Gebiet der EKHN sowie Willkommens-Projekte in Dekanaten und Gemeinden und Flüchtlingsarbeit in Kindertagesstätten zu finanzieren. Die Aufstockung soll u.a. die Fortsetzung der unabhängigen Asylberatung ab 2028 ermöglichen.
Sensibilisierung für sexualisierte Gewalt im Fokus
Matthias Schwarz, Betroffenenvertreter im Beteiligungsforum der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) und der Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt der EKHN, berichtete der Kirchensynode der EKHN von den Entscheidungen, die die EKD-Synode Anfang November getroffen hat: „Zum einen wurde das Disziplinarrecht geändert, sodass Betroffene in einem Disziplinarverfahren besser informiert, geschützt und begleitet werden. Außerdem wurde ein Maßnahmenplan beschlossen, der die Erkenntnisse der ForuM-Studie umsetzt. Dazu gehört, dass ein Recht auf Aufarbeitung festgeschrieben werden soll, und dass Standards für Prävention, Intervention, Dokumentation und Meldestellen EKD-weit festgelegt werden sollen.“
Aus dem anschließenden Bericht der Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt der EKHN ging hervor, dass die Kirche im laufenden Jahr viele Veranstaltungen in Gemeinden und Einrichtungen durchgeführt hat, die wesentlich zur Sensibilisierung beitragen. Dieser Weg soll im kommenden Jahr mit Schulungen in jedem Dekanat, einem Online-Format zu Interventionsfragen und einer Basisschulung fortgesetzt werden. Außerdem werden die EKHN, die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck und die Diakonie Hessen ab dem Frühjahr in einer gemeinsamen Aufarbeitungskommission die Arbeit der ForuM-Studie fortsetzen. Fälle sexualisierter Gewalt sollen quantitativ erhoben, vorherrschende Risiko-Strukturen qualitativ analysiert, der Umgang mit Betroffenen untersucht sowie die institutionelle Aufarbeitungspraxis evaluiert werden.
Transformation der Landeskirche
Bereits seit einigen Jahren befindet sich die EKHN in einem Transformationsprozess, um sich an veränderte Bedürfnisse der Mitglieder, zurückgehende Mitgliederzahlen und Kirchensteuermittel anzupassen. Ein Bericht zur Weiterarbeit an diesem Prozess unter dem Namen ekhn2030 beschreibt Fortschritte, Herausforderungen und Pläne im Transformationsprozess der EKHN.
Schwerpunkte des Prozesses unter dem Namen ekhn2030 sind Strukturreform der Verwaltung, Digitalisierung, Klimaschutz, Zusammenarbeit in Nachbarschaftsräumen, Personalgewinnung, die Etablierung von hauptamtlichen Verkündigungsteams. Bis 2030 sollen damit 140 Millionen Euro eingespart werden aber auch Mittel für Innovationen festgelegt werden.
Nicole Wiehler betonte in diesem Zusammenhang, dass die im Gesetz verankerten Verkündigungsteams zwar nur die hauptamtlich Beschäftigten betreffen; „aber natürlich sind zur Verkündigung in unserer Region die vielen ehrenamtlich agierenden Menschen nicht wegzudenken“, so die Pfarrerin aus Gemmerich.
Zu den Fotos:
Umfassend war die Tagesordnung der Kirchensynode zu deren Herbsttagung. Unter anderem ging es um eine Versachlichung in der Flüchtlingsdebatte. Außerdem wurde versucht, die Interessen Jugendlicher und junger Menschen in den Fokus zu rücken bei der Verabschiedung von Verordnungen und Kirchengesetzen. Fotos: Volker Rahn
