Hilfeempfänger fühlen sich als Menschen zweiter Klasse

Sozialrechtstag von Dekanat und Diakonie steuert mit Information und Vernetzung dagegen

 RHEIN-LAHN. (6. März 2020) Als Bittsteller und Menschen zweiter Klasse kommen sich viele Hartz-IV-Empfänger im Rhein-Lahn-Kreis vor. Das berichteten sie während eines Sozialrechts-Seminars, zu dem das Evangelische Dekanat Nassauer Land zusammen mit dem Diakonischen Werk Rhein-Lahn nach Dausenau eingeladen hatte. Das machte deutlich: Sozialleistungen sind ein gutes Recht und keine Almosen, die vom Wohlwollen der Behörden wie etwa dem Jobcenter abhängig sein dürfen.

Gerade der Verlust an Selbstwertgefühl, zu dem die derzeitige Praxis im Sozialrecht beiträgt, war für Matthias Metzmacher, Pfarrer für gesellschaftliche Verantwortung im Dekanat Nassauer Land, ein Grund, erneut zu einer solchen Infoveranstaltung einzuladen. „Im Wirrwarr an Formularen und in der Angst vor Sanktionen ist es gut zu wissen, dass man damit zum Einen nicht allein ist und wo es zum Anderen Hilfe gibt“, sagte Metzmacher. Der Theologe und Psychologe war froh, dass neben Erwerbslosen und von Grundsicherung und Hartz-IV-Gesetzen Betroffenen auch beratende Akteure an dem Tag teilnahmen wie die des Sozialbüros des Diakonischen Werkes, des Sozial-Kompass in Nassau sowie aus der Flüchtlings- und Schuldnerberatung. „So können sie als Multiplikatoren wichtige Informationen für ihre Klienten mitnehmen.“

Sozialrechtsexperte Hinrich Garms beantwortete  als Referent ganz konkrete Fragen zur aktuellen Sozialgesetzgebung und gab Hinweise zur bürokratischen Prozedur für Anträge und zur Prüfung von Zuwendungsbescheiden. Die jüngsten Veränderungen im Sanktionsrecht kämen zwar allmählich an, dennoch sei die gesellschaftliche Teilhabe für viele Betroffene nur begrenzt möglich. Das konkrete Beispiel einer Alleinstehenden mit drei Kindern wurde durchgesprochen, die Anrechnung von Minijobs ebenso behandelt wie Zuschüsse bei Krankheit oder Klassenfahrten. Auch die Definition von Wohnraumgröße, Bedarfs- und Wohngemeinschaften war Thema.

Von Alltags-Problemen berichteten Haupt- und Ehrenamtliche, wenn es etwa um schwierige Rechtsfragen geht oder wenn die Deutschkenntnisse geflüchteter Hilfesuchender nicht ausreichen und kein Übersetzer zur Verfügung steht. Die Berater würden sich vor allem eine Durchwahl für das Jobcenter für ihr Anliegen wünschen ohne die langen Warteschleifen, die oftmals noch zu nicht zuständigen Sachbearbeitern führten. Ähnliches gelte für andere kommunale Behörden, um Antragsverfahren effektiver zu machen, zumal diese eine Informations- und Beratungspflicht hätten, wie Garms betonte.

So bot der Sozialrechtstag neben vielen Informationen auch ein Forum, sich zu vernetzen. Die anwesenden Multiplikatoren hielten es für sinnvoll, den Austausch durch ein vertiefendes Seminar fortzusetzen. Bernd-Christoph Matern 

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Pfarrer Matthias Metzmacher (von rechts) freute sich, dass er zum Sozialrechtstag in Dausenau neben Referent Hinrich Garms auch Susanne Aping, Angela Sudac und Jörg Schaum (von rechts) begrüßen konnte, die als Mitveranstalter ihr Fachwissen aus der Beratung des Diakonischen Werks Rhein-Lahn einbrachten. Foto: Matern