Auch „weniger“ kann erfüllen
Gedanken zur nachösterlichen Zeit von Dekanin Renate Weigel
RHEIN-LAHN. (17. April 2020) Im Rhein-Lahn-Kreis wurde Ostern gefeiert, so wie noch nie zuvor. Die Kirchen werden für Gottesdienste auch weiterhin, mindestens bis zum 3. Mai geschlossen bleiben. Deshalb schreibt Dekanin Renate Weigel für diese Website auch weiterhin Andachten. Sie finden diese auch in einer gestalteten PDF-Datei am Ende des Beitrags, die Sie gerne ausdrucken und an Interessierte in Ihrer Umgebung in den Briefkasten einwerfen können. Heute geht es um ein Blick aufs vergangene Osterfest.
„Dies ist der Tag, den der HERR macht; lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein.“ Psalm 118, 24
Ostern ist vorbei, und jetzt?
In den vergangenen Wochen haben wir im Versuch, die Krise zu bewältigen, sehr auf Ostern hingelebt. Das Fest sollte doch gefeiert werden! Viele haben beigetragen, was sie konnten und hatten. Ein bunter Strauß von Angeboten war aufgefächert.
Das ist nun getan. Wie geht es weiter?
In den sonst üblichen Gottesdiensten nach den großen Festen habe ich oft darunter gelitten, wenn gebetet wurde: „Jetzt ist Weihnachten/Ostern/Pfingsten vorbei, und wir haben dich, Gott, gar nicht richtig aufgenommen, gewürdigt, gefeiert, geliebt! Vergib uns!“ - Soll denn immer gleich schon wieder die Klage kommen?
Besser gefällt mir, was ich im Yoga gelernt habe: Wenn eine Bewegungsübung vollzogen ist, gibt es eine Zeit der Ruhe und des Loslassens, um nachzuspüren: Was hat die Bewegung im Körper ausgelöst?
Das will ich fragen: Wie war es denn, dieses andere Osterfest? Was hat es bewegt? Was trage ich noch in mir?
Wir hatten Kaiserwetter in diesen Tagen. Sonne satt, Wärme noch an den Abenden. Die Natur zeigte sich in praller Frühlingsschönheit. Ein Geschenk! Wie manche andere war ich oft draußen. Im Rucksack hatte ich Bibel und Gesangbuch dabei, habe Passions- und Ostertexte gelesen und gesungen. Bäume und Vögel waren meine Partner. Musik und Lieder haben eine stärkere Rolle gespielt als in vergangenen Jahren. Als wir die Osterchoräle am Ostersonntagmorgen auf den Straßen des Dorfes getönt, gespielt, gesungen haben, kam es zu Begegnungen, die sonst gar nicht möglich gewesen wären. Menschen haben sich gefreut, sich „Frohe Ostern“ zugerufen, sich bedankt.
Mir sind Familien im Freien aufgefallen. Kinder haben Osternester gesucht. Hatten auch andere mehr Muße zum Eierfärben, Kochen und Backen? Seit Jahrzehnten haben wir zum ersten Mal wieder Brennnesseln gesammelt und zubereitet. Eine Freundin erzählte mir von ihrer Grünen Soße mit 13 Unkräutern! Es war oft still. Es gab viel Zeit. In mir ist Dankbarkeit gewachsen.
Ich will nicht den Satz sagen „Alles ist gut.“ Weder über meinem noch über Ihrem Ostern. Aber ich will festhalten, was gut gewesen ist. Dazu gehört die Erfahrung: Auch „weniger“ kann erfüllen.
Und jetzt – gehen wir weiter. Es ist, wie es ist. Es wird sein, wie es sein wird. Was mache ich daraus? Jeder Tag ist ein Geschenk Gottes. Ich darf ihn mit ihm gehen. Es gibt zu tun; was ist es heute? Wer braucht mich? Ob mit oder ohne Krise, die Treue im Alltag ist alle Tage gefragt.
Wofür bin ich gut? Lass es mich sehen.
Wofür kann ich dankbar sein? Lass es mich merken.
Diese zur Andacht passenden Lieder aus dem Evangelischen Gesangbuch (EG) können Sie laut oder leise singen oder lesen:
EG 321 Nun danket alle Gott
EG 329 Bis hierher hat mich Gott gebracht
EG 432 Gott gab uns Atem
Hier können Sie die Andacht herunterladen.
Eine Andacht der Dekanin zum Osterfest selbst, auch als Video, finden Sie hier.
Foto: © becrima
