November Winter2019 becrima

Sonntagsgedanken zum November

Buße tun ist klasse!

RHEIN-LAHN. (14. November 2021) In diesen Sonntagsgedanken schreibt Dekanin Renate Weigel über die Nachdenklichkeit der Kirchen im November. 

Sagen wir es einmal so: Wenn ich eine Straße entlang laufe, und ich merke, ich bin verkehrt, bleibe ich stehen und orientiere mich neu. Das ist ein bisschen mühsam. Ich wäre lieber glatt durchgekommen. Aber ich will ja mein Ziel erreichen.

Ähnlich kann es mir im Leben gehen. Plötzlich oder auch schon länger fühlen sich Dinge falsch an. Ich stehe an der Wand. Ich klemme fest. Mir geht es schlecht. Vielleicht spüre ich, dass ich vor die Hunde gehe, wenn ich einfach weiter mache. Anhalten ist angesagt. Hinsehen, Nachdenken, mit anderen in Austausch gehen, Beten, Warten. Läuft mir die Zeit davon? Was mir beim Leben hilft, ist seine Zeit wert. Buße tun heißt, ich halte an, überprüfe die Richtung und verändere etwas. Dazu gehört viel. Ich brauche die Fähigkeit, kritisch mir selbst gegenüber zu sein. Vielleicht schäme ich mich auch. Das ist kein schönes Gefühl. Aber mit dem Zulassen der Scham kann etwas Neues beginnen. In jedem Fall bin ich es mir wert, Fehler, die ich gemacht habe, einzugestehen und zu korrigieren. Buße ist immer auch mit Schmerzen verbunden. Aber wenn ich sie wage, werde ich frei.

Im November erlauben wir uns in den Kirchen viel Nachdenklichkeit. Wir erinnern an die jüdischen Mitmenschen, die angegriffen, aus den Häusern geholt und abtransportiert wurden. Wir denken an die Opfer der Weltkriege. Wir besuchen die Gräber unserer Toten. Wir machen uns die Grenzen unseres Lebens bewusst und blicken der Schuld ins Auge. Wenn ich nur den Gedanken zulasse, dass ich morgen nicht mehr leben könnte, höre ich schon auf, den Tag heute im alten Trott zu verbringen.

Weil das Leben kostbar ist und jeder Tag gilt, ist Umkehren und Neuanfangen an bestimmten Stellen wichtig. Ich will nicht lebendig schon tot sein. Buße tun ist klasse!

Renate Weigel, Dekanin Nassauer Land

Foto: © becrima