Wege aus Armut und sozialer Ausgrenzung finden
Europäischer Sozialfonds fördert Einzelfall-Coaching des Diakonisches Werks Rhein-Lahn
RHEIN-LAHN. (10. Januar 2022) Während in Deutschland grundsätzlich eine günstige konjunkturelle Lage vorherrscht, ist dennoch auch eine gegenteilige Entwicklung zu verzeichnen: immer noch sind zu viele Menschen langfristig vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Armut, damit einhergehende soziale Ausgrenzung sowie fehlende gesellschaftliche Teilhabe sind die Folgen. Zwei Mitarbeitende des Diakonischen Werkes Rhein-Lahn nehmen sich seit einem Jahr in Kooperation mit dem Job-Center Rhein-Lahn genau diesen Familien sowie Einzelpersonen im Bedarfsgemeinschaftscoaching an. Das Projekt wird vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung Rheinland-Pfalz und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert.
Hinter dem sperrigen Begriff „Bedarfsgemeinschaftscoaching“ stecken die Gesichter von Gerd Schrötter und Frederike Kedaj, die mit viel Herzblut 30 Bedarfsgemeinschaften begleiten, die schon lange arbeitslos sind. Das Job-Center entscheidet, wer ins Programm genommen wird. In der Mehrheit sind es Familien mit minderjährigen Kindern. Gemeinsam ist ihnen nicht nur, dass sie Leistungen zur Grundsicherung beziehen, sondern dass es zwei besondere Hemmnisse gibt, die die Vermittlung auf den Arbeitsmarkt schwierig machen. Das können zum Beispiel Schulden, Sprachprobleme, unpassende Wohnverhältnisse, gesundheitliche Einschränkungen oder auch mangelnde Mobilität sein.
„Die Leute haben den Kopf nicht frei, sei es aus Angst, die Wohnung zu verlieren, dass ihnen die Schulden über den Kopf wachsen oder weil es an Sprachkenntnissen fehlt“, nennt Schrötter Beispiele. Ein anderer wichtiger Aspekt sei häufig das fehlende Verständnis für die Situation der Betroffenen und die damit einhergehende Stigmatisierung. Nach dem Kennenlernen in den ersten Kontakten würden die Teilnehmenden schnell merken, dass das Coaching sich insbesondere der eigenen und ganz individuellen Ziele und Bedarfe widmen soll. In enger und intensiver Zusammenarbeit mit den Coaches können dann Ideen und Wege entwickelt werden, diese Ziele zu erreichen. „,Was ist ihr größtes Anliegen?´ frage ich die Leute“, erklärt Schrötter sein Vorgehen. „Hier setze ich mit den Teilnehmenden als erstes an.“ Individuelle Ziele können dabei beispielsweise die persönliche, gesundheitliche Stabilisierung oder Stärkung des familiären Zusammenlebens sowie die Verbesserung der Mobilität und die Förderung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sein.
Die Coaches unterstützen die Bedarfsgemeinschaften dabei, eigene Lösungsstrategien zu entwickeln und begleiten bei der Umsetzung. Das große Netzwerk der Coaches sorgt für konkrete Hilfen in verschiedenen Bereichen. Es sei oft die Summe unvertrauter Handlungsschritte, die die Menschen herausfordern und das Selbstvertrauen und die Psyche belasten. Wie kommt man an Kontoauszüge? Wo findet man einen Kinderarzt? Was ist eine Meldeadresse? Wie erhalte ich ein Busticket? Wie schreibe ich Bewerbungen? Wie komme ich zu wichtigen Terminen? Welche Unterlagen brauche ich für welchen Antrag?
Ein besonderer Schwerpunkt liegt für die Beiden auf der Förderung von Kindern. So konnten im ersten Jahr beispielsweise einige Teilnehmende des Projekts in adäquate und vor allem kindergerechte neue Wohnungen umziehen. „Wie kann man vernünftig leben, wenn die Haustür noch nicht mal ein Schloss hat und plötzlich fremde Leute im Wohnzimmer sitzen“, so Schrötter. Darüber hinaus konnten alle Kinder der betreuten Bedarfsgemeinschaften in Zusammenarbeit mit dem Job-Center Rhein-Lahn in der Corona-Pandemie mit Equipment für die Teilnahme am digitalen Schulunterricht ausgestattet werden und erhielten auch in anderen schulischen Belangen Unterstützung.
Die Erfolgsbilanz der Beiden kann sich zum Ende des ersten Jahres sehen lassen: Sechs Personen konnten eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufnehmen, acht nehmen aktuell an einer Weiterbildung teil und in drei Fällen konnte ein Umzug in eine adäquate Wohnung verzeichnet werden.
„Wir hoffen, dass die beiden Coaches auch im kommenden Jahr wieder den Weg zu mehr Teilhabe in sozialer und beruflicher Hinsicht beschreiten können“, sagt die zuständige Bereichsleiterin im Diakonischen Werk Rhein-Lahn Susanne Aping. Es seien immer noch zu viele Menschen dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. „Armut, damit einhergehende soziale Ausgrenzung, sowie fehlende gesellschaftliche Teilhabe sind die Folge.“ Die positiven Erfahrungen des Projektes mit der individuellen Förderung zeigten, dass Abhilfe möglich ist. Deshalb hofft sie, dass das Programm auch über den jetzigen Förderzeitraum bis Mitte 2022 noch fortgesetzt wird. Bernd-Chr. Matern
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Gerd Schrötter und Frederike Kedaj coachen Familien, damit sie im Arbeitsleben und der Gesellschaft wieder Fuß fassen können. Foto: Matern

Lieblingshits fürs neue evangelische Gesangbuch gesucht
EKD-Arbeitsgruppe will bis zum Jahr 2030 neues Werk gedruckt und digital publizieren
RHEIN-LAHN/HANNOVER. (6. Mai 2021) „Lobe den Herrn“ oder „Da wohnt ein Sehnen tief in uns“? oder doch eher „Und ein neuer Morgen“ oder „Von guten Mächten“? Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sucht unter dem Motto „Was ist Deine TOP 5?“ die fünf Lieblingslieder von Christen. Sie sollen sich auf alle Fälle in einem neuen evangelischen Gesangbuch wiederfinden, dessen Inhalt eine Arbeitsgruppe gerade zusammenstellt. Seit dem vergangenen Sonntag Kantate sind drei Monate lang die digitalen Kanäle für Vorschläge freigeschaltet.
Gesucht werden genau die fünf Songs, die auf jeden Fall im neuen Gesangbuch stehen müssen. Ob die Lieder bereits im aktuellen Gesangbuch stehen oder nicht, spielt für die Vorschläge keine Rolle. Wer ein Lied favorisiert, das bisher in noch keinem Liederbuch zu finden ist, schickt am besten die Noten mit Angaben zur Quelle und Rechten an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.
Mit allen genannten Liedern wird sich der Liederausschuss der Gesangbuchkommission beschäftigen. Natürlich werden aber neben diesen Liedvorschlägen auch noch die vielen bereits bestehenden Gesang- und Liederbücher geprüft werden. Das neue evangelische Gesangbuch soll gedruckt als auch digital erscheinen.
Im Reformationsjubiläumsjahr 2017 haben der Rat der EKD und die Kirchenkonferenz (die Versammlung aller Leitenden der Landeskirchen) entschieden, dass es ein neues Gesangbuch geben und das Evangelische Gesangbuch aus den 1990-er Jahren gemeinsam überarbeitet werden soll. Diese Überarbeitung begann mit der Berufung einer Steuerungsgruppe und einer Gesangbuchkommission im Frühjahr 2020. Grund dafür waren die mehr als 1000 neuen Lieder, die in den Gemeinden seit Entstehung des jetzigen Gesangbuches verbreitet sind, die neue Ordnung der Lesungstexte und die neue Lutherbibel (2017).
Die vom Rat der EKD eingesetzte Gesangbuchkommission entscheidet über den Inhalt und die Gestaltung des neuen EGs. Die Arbeit geschieht in thematischen Arbeitsgruppen, die bei der Konsultationstagung der Kommission 2021 eingeteilt werden. Zu den Arbeitsgruppen gehören zum Beispiel die Gruppen für Lieder, Texte und Gebete oder Digitalisierung.
Seit der Reformation gab es immer dann neue Gesangbücher, wenn sich im kirchlichen Leben einschneidende Veränderungen zeigten, entweder in Fragen der Theologie oder in gesellschaftlichen Entwicklungen. So hat sich herauskristallisiert, dass alle 30-50 Jahre ein dickes neues Gesangbuch im deutschsprachigen Raum entstand, daneben viele weitere Liederbücher und Begleithefte in den Regionen. Aktueller Anlass für ein neues Gesangbuch sind liturgische Veränderungen, viele neue Gottesdienstformen und die vielen technischen Möglichkeiten, an die auch in den 1990-er Jahren noch keiner denken konnte. Ziel ist ein neues Gesangbuch im neuen Jahrzehnt.
Die Vorschläge können hier eingetragen werden.
Zu den Fotos:
Die Bilder zeigen eine kleine Auswahl von vier evangelischen Gesangbüchern aus den Jahren 1906 bis heute in jeweils anderen Auflagen. Unterschiedliche Formen, auch Farben, mit und ohne Vorwort, Bibeltext oder Noten – die Varianten wurden immer zahlreicher, wenn auch weniger kunstvoll wie vor 500 Jahren bei ihrer Einführung, mit der sie die Reformation beflügelten und ihr letztlich zum Durchbruch verhalfen. Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren kostbare Verschlüsse für den Goldrand aus Metall beliebt und zeugen von der Bedeutung, die die Liederbücher einst für die Menschen hatten. Manche Weisen und Texte überdauerten die Jahrhunderte, andere nicht. 1950 gab es das erste Einheitsgesangbuch mit einem hessen-nassauischen Regionalteil. Dieses und das jetzige EG weisen die größten inhaltlichen Veränderungen auf. Eines ist aller Entwicklung, musikalischem Geschmack und Zeitgeist zum Trotz gleich geblieben: das Gesangbuch ist Christen ein starker Begleiter, um Trost, Hoffnung und Freude aus Liedern zu schöpfen. Fotos: Bernd-Christoph Matern