
Konfirmationen bleiben Eckpfeiler der Kirche für junge Menschen
Evangelische Kirche veröffentlicht Statistik 2019 – Kirchenpräsident will noch besseren Draht zu Mitgliedern
DARMSTADT/RHEIN-LAHN. (29. Juni 2020) Konfirmationen bleiben wichtige Eckpfeiler der Kirche für junge Menschen. Das ist eines der zentralen Ergebnisse der am Wochenende veröffentlichten Statistik der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) für das Jahr 2019. Der aktuellen Erhebung zufolge lassen sich auch weiterhin 87 Prozent eines evangelischen Jahrgangs konfirmieren. So waren es 2019 insgesamt 11.792 Jugendliche (Vorjahr: 12.400), die ihre Zeit als „Konfi“ abschlossen.
Auch die Zahl der Taufen blieb im zurückliegenden Jahr weitgehend stabil. So wurden 2019 im hessen-nassauischen Kirchengebiet 10.452 Kinder (Vorjahr: 10.997) und mit 972 Erwachsenen sogar etwas mehr als im Vorjahr (928) getauft. Leicht zugenommen hat mit 2.812 Personen (Vorjahr: 2.796) auch die Zahl derjenigen, die in die evangelische Kirche eintraten. Zurück ging gleichzeitig die Zahl der evangelischen Beisetzungen mit 19.338 gegenüber 20.429 im Vorjahr.
Insgesamt hatte die EKHN zum Stichtag 31. Dezember 2019 genau 1.483.767 Mitglieder (Vorjahr: 1.517.119). Das sind 2,2 Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Zu dem Rückgang in der EKHN trugen die Austritte mit 21.071 (Vorjahr: 18.404) bei. Einflüsse auf die Mitgliederentwicklung haben neben den Austritten und Sterbefällen auch die Zu- und Wegzüge. Die hessen-nassauische Kirche bleibt damit weiterhin die mit Abstand mitgliedsstärkste Religionsgemeinschaft in der Region. Das Kirchengebiet umfasst neben großen Teilen des Bundeslands Hessen mit rund 1,2 Millionen Mitgliedern auch Gebiete in Rheinland-Pfalz, in denen über 276.000 Menschen zur EKHN gehören.
Die Zahlen aus dem Jahr 2019 schließen sich der langfristigen Entwicklung an, nach der die Konfirmations- und Taufzahlen verhältnismäßig stabil bleiben. Gleichzeitig folgt auch die EKHN dem bundesweiten Trend zu höheren Austrittszahlen, der sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche gleichermaßen erfasst hat.
Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung sieht in der aktuellen Statistik große Herausforderungen für die Kirche abgebildet. Zunächst sei es eine „hoffnungsvolle Perspektive, dass die Kirche bei vielen Jüngeren und deren Eltern auch weiter hohes Vertrauen genießt, wie die Tauf- und Konfirmationszahlen belegen“. Viele erwarteten sich auch heute „Lebensbegleitung und Lebensorientierung im Glauben von ihrer Kirche“, so Jung. Das habe sich auch deutlich in der Corona-Pandemie gezeigt, wo kirchliche Angebote in medialen und digitalen Formaten sowie in der Seelsorge sehr geschätzt wurden. „Gleichzeitig wirft die Steigerung der Austrittszahlen viele Fragen auf und bringt große Herausforderungen für alle in der Kirche mit sich“, sagt Jung.
So gebe es kein „Patentrezept, um den vielfältigen Ursachen zu begegnen“. Als Gründe für die jüngste Steigerung der Austritte vermutet Jung unter anderem, „die zunehmende Abkehr von großen Institutionen und deren Bindungskraft“. Zugleich sieht er die evangelische und die katholische Kirche derzeit medial und in gesellschaftlichen Debatten großem Druck ausgesetzt. Als Beispiel führt er die Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt auf, die im zurückliegenden Jahr oft die Schlagzeilen beherrscht und in allen Kirchen die Glaubwürdigkeit angetastet habe.
Jung bedauert: „Jeder Kirchenaustritt ist ein großer Verlust und schmerzt alle.“ Gemeinden, Dekanate und Einrichtungen arbeiteten „mit viel Energie und großem Engagement an neuen Ideen“. Dazu gehörten Tauffeste an Seen, interaktive Beratungsangebote, Online-Gottesdienste oder regelmäßige Anschreiben an alle Haushalte im Kirchengebiet. Dabei sei es noch wichtiger als früher, „dass alle von dem Engagement in Kirche und Diakonie für das gute Zusammenleben von Menschen und den vielfältigen Angeboten erfahren“. Jung schlägt vor, den direkten Austausch – auch mit den digitalen Möglichkeiten – zu intensivieren. Dazu gehöre auch, die Kommunikation vor allem mit Jüngeren zu erweitern. Jung: „Wir müssen zu unseren Mitgliedern und allen, die Kontakt zur Kirche wünschen, einen noch stärkeren Draht als bisher bekommen. Das wird eine der Hauptaufgaben der Zukunft sein.“
„Ich finde, wir müssen uns den Mut nicht nehmen lassen. Aber wach und präsent bleiben“, kommentiert Dekanin Renate Weigel die aktuelle Statistik der Mitgliederentwicklung und verweist auf den Auftrag der Kirche: „Was ist die Aufgabe von Kirche? Gemeinsam Gott zu feiern. Auf sein Wort mit dem Leben zu antworten. Mit Menschen, für Menschen, auch für die Schöpfung, nach Heilung und Leben zu suchen“, so die Theologin. „Diese Aufgabe gilt, ob wir viele oder wenige sind.“
Zudem stelle sich der Verlust von Mitgliedern im Dekanat Nassauer Land und in anderen ländlichen Gebieten nicht so gravierend dar wie in Städten. Die Menschen seien dort mit ihrer Kirche noch stärker verbunden. „Trotzdem wird die allgemeine Entwicklung uns nicht verschonen.“ In die Zukunft gerichtet erklärt Weigel: „Wir müssen uns auf eine kleinere Kirche einstellen. Vielleicht wird eine kleinere Kirche nicht so viel mit Verwaltung und Organisation beschäftigt, sondern näher bei den Menschen sein.“
EKD-Statistik
Die statistische Entwicklung in der EKHN entspricht weitgehend dem bundesdeutschen Trend, den die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ebenfalls am Freitag veröffentlichte. Danach gehörten mit Stichtag 31. Dezember 2019 genau 20.713.213 Menschen einer der 20 Gliedkirchen der EKD an (Vorjahr: 21.140.599). Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Mitglieder um rund zwei Prozent gesunken. Dies entspricht einem aktuellen Bevölkerungsanteil von rund 25 Prozent. Die EKD-Statistik ist im Internet abrufbar.
Statt Gottesdienst: Kirche öffnet für Corona-Schnelltests
Evangelische Kirchengemeinde Hömberg-Zimmerschied zeigt sich von diakonischer Seite
RHEIN-LAHN/HÖMBERG-ZIMMERSCHIED. (27. April 2021) Am 4. Advent öffnete sich die evangelische Kirche in Hömberg letztmals für einen Gottesdienst. Jetzt ist das Gotteshaus wieder für den konkreten Dienst am Menschen geöffnet und gefragt. Jeden Donnerstag ab 17 Uhr steht es für zwei Stunden als Ort für Corona-Schnelltests offen. Marco Schrötter vom Kirchenvorstand der evangelischen Kirchengemeinde Hömberg-Zimmerschied hatte die Idee ganz spontan, fand Gleichgesinnte und sorgte dafür, dass die Kirche wieder zur Anlaufstation wird. Zur Premiere ließen sich 25 Personen in der Kirche einen Nasenabstrich nehmen.
„Es gibt ja viele Menschen, die nicht so mobil sind in den Dörfern, auch bei uns, und die Kirche ist groß genug, um die Tests mit den gebotenen Abständen durchzuführen“, erzählt Schrötter; bei gutem Wetter kann die 15- bis 20-minütige Wartezeit aufs Ergebnis im Freien verbracht werden; bei Regen bieten die Kirchenbänke mit Blick auf Altar und kunstvolle Fenster genügend Raum – Besinnung inklusive. Mit Christian Schneider aus Nassau fand Schrötter schnell einen Profi in Sachen Schnell-Tests als Partner. Dessen Firma PS Trade GmbH handelt mit Schutzausrüstung, besorgt Tests, betreibt Testzentren, unter anderem das mobile Testcenter Hunsrück. Außerdem schult die Firma Unternehmen in der richtigen Anwendung der Tests.
Schneider war sofort bereit, die Idee mit seinem Know-how und der notwendigen Ausrüstung in die Tat umzusetzen, „ganz gleich, ob da jetzt zehn oder 100 Leute kommen“, sagt Schneider, für den das Projekt in Hömberg eine sinnvolle Bereicherung für die ländliche Region ist im Kampf gegen das Virus. „Wir schauen mal, wie es sich entwickelt.“ Den Test-Gästen ermöglicht der Einsatz einen kostenfreien Besuch und den freiwillig Engagierten die notwendige Ausrüstung nebst den Formularen. Als lizenziertes Test-Unternehmen erhalten die Getesteten anschließend ein 24 Stunden gültiges Zertifikat über das Ergebnis, sofern es negativ ist. Im umgekehrten Fall folgen Quarantäne, Meldung ans Gesundheitsamt und PCR-Test – vor allem wird so verhindert, unbemerkt andere Menschen anzustecken.
Hinzu kommt der glückliche Umstand, dass in Hömberg und Zimmerschied eine Reihe medizinisch geschulter Leute
wohnen, die bereit sind, das Angebot in und rund um die Kirche zu ermöglichen. Sie wollen dazu beitragen, der Bevölkerung mehr Klarheit über ihren Gesundheitsstand zu ermöglichen. Auch Ortsbürgermeister Dietmar Roßtäuscher (rechts) ist mit von der Partie. „Das ist doch ein tolles Angebot für unsere kleine Gemeinde“, ist er stolz über das Engagement von Kirchengemeinde und Einwohnern, das ja ganz unabhängig vom Wohnort von allen Bürgerinnen und Bürgern genutzt werden kann, vorausgesetzt sie bringen einen Personalausweis mit.
So sind zur Eröffnung des Testzentrums auch Leute aus Nassau nach Hömberg gefahren. Zu Fuß hat Doris Schäfer die heimische Kirche angesteuert. Lieber wäre ihr ja wieder mal ein normaler Gottesdienst darin, nach „so ewiger Zeit“. „Aber auf die Teststation war ich neugierig“, erzählt sie und hält das für eine gute Sache. Auch Katharina Groß aus Hömberg und ihr Freund aus Österreich lassen sich dort einen Nasenabstrich machen. „Wir brauchen die Tests auch für den Grenzübertritt“, erklärt sie am Abend vor der nächsten Fahrt nach Wien. Gemeindepfarrer Stefan Fischbach nutzt ebenfalls die Testpremiere. „Marco Schrötter hat nicht nur tolle Ideen, ebenso begeistert mich die Schnelligkeit, mit der er sie umzusetzen weiß“, ist er dankbar für das Engagement. Er kenne in seinen Gemeinden Familien, in denen Großeltern die Enkel betreuen oder wo Kinder unsicher seien, die Eltern zu besuchen. „Da bedeutet der Test ein Stück mehr Sicherheit“, so der Theologe. Vor allem freut ihn, dass die Kirche auf diese Weise wieder mehr zu dem wird, für das sie durchaus im doppeldeutigen Sinne 1957 erbaut wurde: ein Mittelpunkt des Dorfes und des Lebens. Bernd-Christoph Matern
Das Testzentrum in der Hömberger Kirche ist derzeit für alle Interessenten donnerstags von 17 bis 19 Uhr geöffnet. Ein Personalausweis ist mitzubringen.
Zu den Fotos:
Kirche als Corona-Testcenter: Im hinteren abgetrennten Bereich des Gotteshauses werden die Tests gemacht; die Bänke im Kirchenschiff dienen als besinnliche Wartezone, bei schönem Wetter auch Stehtische und Bänke auf der Wiese drum herum.
Neben Gemeindepfarrer Stefan Fischbach gehörte Ortsbürgermeister Dietmar Roßtäuscher zu den ersten Besuchern, die das Testangebot nutzten. Fotos: Bernd-Christoph Matern