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Mehr Platz für die Tafel in Nastätten

Ehrenamtliche Kräfte des Diakonischen Werks freuen sich über Sponsoren von Stiftung und Unternehmen

Tafel UmzugNAE200423Oberstrasse becrima NASTÄTTEN/RHEIN-LAHN. (24. Mai 2023) Die Tafel des Diakonischen Werkes Rhein-Lahn in Nastätten ist umgezogen. Nur zwei Häuser unterhalb des ehemaligen Standorts steht dem ehrenamtlichen Team in der Oberstraße 2 jetzt fast doppelt so viel Platz zur Verfügung, um die Lebensmittel zu sortieren, zu lagern und an die Kundschaft auszugeben. Den Umzug möglich machten gleich mehrere Sponsoren, Unternehmen aus Nastätten, Rotarier und die Diakoniegemeinschaft Paulinenstift.

Letztere ist schon seit der Eröffnung der Tafel im Sommer 2007 ein zuverlässiger Unterstützer, wenn beispielsweise die Einrichtung modernisiert werden muss oder ein Fahrzeug zu finanzieren ist. „Wenn wir den vielen ehrenamtlichen Kräften hier helfen und sie motivieren können für ihren tollen Dienst, den sie hier leisten, dann tun wir das sehr gern“, sagte Staatsminister a.D. Karl Peter Bruch vom Vorstand der Paulinenstiftung, als sich die Sponsoren die neuen hellen Räume anschauten. Beeindruckt vom ehrenamtlichen Engagement zeigten sich auch Andreas Heymann, Helmut Maxeiner und Axel Melzer. Die Menschen in der Region zu unterstützen, sei ein wichtiges Anliegen des Rotary-Clubs St. Goarshausen-Loreley, dem die drei Unternehmer angehören, erklärte Maxeiner. Und wenn die Frauen und Männer, die die Nastätter Tafel organisieren, dann noch mit so viel Herzblut ihre Freizeit für die gute Sache opfern, tue man es umso lieber, so Heymann.

Die heimischen Unternehmer garantieren die Übernahme der halben Mietkosten in den kommenden Jahren. „Wir sind total froh, dass wir so unterstützt werden“, dankte Burkhard Struth, Leiter des Diakonischen Werks Rhein-Lahn, für die großzügige Kostenbeteiligung, die den Umzug möglich machte. „Wir sind ja voll und ganz aufs Ehrenamt und unsere Sponsoren angewiesen, um die Tafeln unterhalten zu können.“ Angesichts der unsicheren Entwicklung der Energiepreise und der hohen Mietkosten wäre es keine Option gewesen, in die modernen und hellen Räume mit der Tafel umzuziehen.

Und darin fühlt sich das Team pudelwohl, das derzeit die Lebensmittel-Ausgabe an 70 Haushalte mit 128 Erwachsenen und 95 Kindern stemmt. „Das ist gar kein Vergleich zu den vorherigen Räumen“, schwärmt etwa Susanne Schmitter vom viel leichter zu reinigenden Boden, einem Sozialraum, den neuen Toiletten und der großen Fläche, die nun zum Sortieren in dem ehemaligen Lebensmittelgeschäft zur Verfügung steht. „Das tut auch der Seele gut“, so die Helferin.

Nachdem in der Corona-Pandemie die Zahl der Helfenden um die Hälfte einbrach, engagieren sich mittlerweile wieder fast 50 Kräfte für die Ausgabestelle. „So konnte auch wieder ein zweiter Ausgabe-Tag in der Woche eingerichtet werden“, freut sich Marion Moll vom Diakonischen Werk Rhein-Lahn, die dessen Tafelarbeit an den drei Standorten in Bad Ems, Diez und Nastätten koordiniert. Über zusätzliche Ehrenamtliche, die in Fahrdienst oder Laden das Team verstärken, würde sie sich trotzdem freuen; etwa sieben Personen sind an jedem Ausgabetag im Einsatz. Bernd-Christoph Matern

Nähere Infos zur Tafel gibt Marion Moll unter Telefon 02603-962342. 

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Arbeitserleichterung und Balsam für die Seele des ehrenamtlichen Tafel-Teams in Nastätten ist der Umzug in fast doppelt so große Räume in der Oberstraße 2. Dankbar sind Burkhard Struth (links) und Marion Moll (3. von rechts) vom Diakonischen Werk Rhein-Lahn den Sponsoren. Als deren Vertreter schauten sich Karl Peter Bruch, Helmut Maxeiner und Andreas Heymann (von rechts) den schicken neuen Standort an. Fotos: Matern

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Tafeln im Kreis sind schon lange am Limit

Wartelisten werden länger, Nachfrage steigt extrem – Es fehlt an Personal und Platz

RHEIN-LAHN. (13. Juni 2022) Die vier Tafeln im Rhein-Lahn-Kreis haben derzeit massive Probleme, der enormen Nachfrage noch gerecht zu werden. Steigende Preise, weniger Lebensmittelspenden und fehlendes Personal sorgen etwa an den Diakonie-Standorten in Bad Ems, Diez und Nastätten für immer längere Wartelisten an Hilfsbedürftigen. Hinzu kommen Flüchtlinge aus der Ukraine, für die die Ausgabestellen eine große Unterstützung wären. In der Ausgabestelle Lahnstein sind die Kapazitätsgrenzen auch erreicht.

„Und die Lage wird sich noch verschärfen“, fürchtet Marion Moll, die beim Diakonischen Werk Rhein-Lahn die Ausgabestellen koordiniert. „Es werden noch mehr Menschen in die Tafeln wollen, die Anspruch auf eine Grundsicherung haben, da ihnen zwangsläufig noch weniger Geld zur Verfügung steht“. 341 Erwachsene und 267 Kinder in insgesamt 210 Haushalten profitieren derzeit von den drei Tafeln in Bad Ems, Diez und Nastätten. Diese müssen einen Anspruch auf Grundsicherung oder Arbeitslosengeld II haben, um Lebensmittel abholen zu können. Eine formelle Warteliste gibt es in den Diakonie-Tafeln nicht. Die Zahl derjenigen, die irgendwann nicht mehr auf die Lebensmittelspenden angewiesen sind und damit für eine Fluktuation unter den Kunden sorgte, ist stark zurückgegangen. Moll: „Niemand möchte seinen Platz hergeben“. Deshalb gibt es ein Rotationsprinzip, nachdem spätestens nach einem Jahr vorübergehend Platz für andere gemacht werden muss. Bei ukrainischen Flüchtlingen sind bisher drei Monate vorgesehen, da sich deren Situation rasch ändern könne.

TafelBadEms2020 becrima Grenzen schafft die Lagerkapazität an den drei Standorten, die insgesamt pro Ausgabetag nur Platz für etwa 35 Haushalte bietet. Ein „Mehr“ wäre aber auch aufgrund der rückläufigen Zahl an ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern nicht zu stemmen. Mit der Corona-Pandemie wurde vielen Kräften im Rentenalter, die teilweise über 70 Jahre alt waren, nahegelegt, zuhause zu bleiben, um sich nicht anzustecken. Von einst knapp 150 Personen sind jetzt noch 100 im Einsatz.  „Es fehlt an jungem Nachwuchs“, so Moll. Das sei nicht verwunderlich. „Wir benötigen Ehrenamtliche ja morgens in der Zeit von 8.30 und 14 Uhr und nachmittags von 14 bis 17 Uhr. Das ist für Berufstätige oder Schüler schwierig“. Es gibt aber auch Ausnahmen. So hilft in Bad Ems ein Lehrer mit einigen seiner Schüler regelmäßig in der Ausgabe, die zweimal pro Woche öffnet. In Diez und Nastätten, werden jeweils 15 Ehrenamtliche zusätzlich gebraucht würden, um die Tafeln an zwei Tagen nutzen zu können.

Ähnlich ist der Personalbedarf in der Außenstelle Lahnstein der Koblenzer Tafel. Vor Corona konnten dort mit etwa 50 Freiwilligen noch sechs Teams gebildet werden, um die Ausgabe zu stemmen. Das ist vorbei. Der Ansturm der ukrainischen Flüchtlinge hat die Ausgabestelle im katholischen Pfarrzentrum am Europaplatz an ihre Grenzen gebracht. „Wir können keine neuen mehr aufnehmen“, so Gemeindereferent Ralf Cieslik, der zusammen mit Richard Landauer die verbliebenen mehr als ein Dutzend ehrenamtlichen Mitarbeitenden in Fahrdienst und Ausgabe koordiniert.

Die ist jeden Donnerstag von 13 bis zirka 15 Uhr geöffnet und konnte von Berechtigten zunächst einmal pro Woche genutzt werden. Dann wurden zwei Gruppen gebildet, sodass Bedürftige nur noch alle 14 Tage die Lebensmittel bekamen. Dem Ansturm wurde auch das nicht gerecht. Mit jetzt 60 Haushalten wurde die Kapazität schon um mehr als ein Drittel erhöht. „Mehr geht beim besten Willen nicht mehr; wir arbeiten jetzt mit einer Warteliste.“ An Lebensmitteln und Lagerfläche mangelt es der Tafel in Lahnstein dagegen nicht. „Wir haben das Glück, Teil der Koblenzer Tafel zu sein, die mit Lebensmitteln gut versorgt ist“, so Cieslik.

Ein Grundproblem der Tafeln ist schon seit Jahrzehnten bekannt, als vor mehr als 25 Jahren die erste Tafel im Rhein-Lahn-Kreis eröffnet wurde. „Eigentlich dürfte es so etwas in einem der reichsten Länder der Welt gar nicht geben“, sagt der Leiter des Diakonischen Werkes Rhein-Lahn, Burkhard Struth. Die Tafeln seien schon lange am Limit. Anstatt aber nach Lösungen zu suchen, dass es für die Menschen nicht zu teuer wird, sich mit Lebensmitteln zu versorgen, „werden unsere Tafeln als Bestandteil der Daseinsvorsorge angesehen. Sozialpolitische Maßnahmen wie das angekündigte Bürgergeld müssen so ausgestattet sein, dass die Tafeln nicht mehr notwendig sind“, so Struth.   Bernd-Christoph Matern

Wer Interesse hat, in einem der Tafel-Teams mitzuarbeiten, erhält mehr Informationen bei Marion Moll (Bad Ems, Diez und Nastätten) unter Telefon 02603- 962342, E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!; Hilfsbereite für die Lahnsteiner Ausgabestelle der Koblenzer Tafel wenden sich an Telefon 0160-96663022 oder E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

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Die Tafeln im Rhein-Lahn-Kreis kommen nicht zuletzt durch ein mehr an Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine an ihre Kapazitätsgrenzen. Die Corona-Pandemie hatte zudem die Zahl ehrenamtlicher Kräfte, die die Tafelarbeit stemmen, stark reduziert. Fotos: Matern

Tafeln des Diakonischen Werks Rhein-Lahn bleiben zu – Hilfe kommt nun zum Haus

Kunden des REWE-Marktes sorgen nicht nur in Diez für gedeckte Tische – Gemeindepädagoge übernimmt Fahrdienst

 DIEZ/RHEIN-LAHN. (24. April 2020) Seit Mitte März haben die Tafeln des Diakonischen Werkes Rhein-Lahn in Bad Ems, Diez und Nastätten geschlossen. Für viele Menschen bedeutet das eine enorme Einbuße, sind sie doch auf die Essensausgabe angewiesen, um einigermaßen finanziell über die Runden zu kommen. „Die Situation spitzt sich in manchen Haushalten gerade enorm zu“, weiß Oliver Krebs, der in Diez die Lebensmittel-Ausgabe koordiniert.

Krebs kennt die prekäre Lage vieler älterer Menschen und von Familien mit Kindern, die unter der Schließung der Tafeln besonders leiden, aus vielen Beratungsgesprächen, und punktuell sorgten er und einige Freiwillige im vergangenen Monat für ein wenig Unterstützung. Umso dankbarer ist er aber jetzt, dass es in Diez jetzt neue Unterstützung gibt, um wenigstens die bedürftigsten ehemaligen Kunden mit einem Lieferservice zu versorgen.

Zum Einen ist da die Initiative von Rudolf Schmidt. Der Inhaber des Diezer REWE-Marktes hat im Eingangsbereich einen Tisch aufgebaut mit allerlei Lebensmitteln. Die befinden sich auch in den Papier-Tragetaschen, die daneben stehen. „Gemeinsam Tische decken“ steht an der Wand darüber. Kunden können für 6 Euro eine solche Tasche kaufen, die dann vom Diakonischen Werk an die bedürftigsten Tafel-Kunden verteilt werden. „Ich muss ein dickes Dankeschön an die Kunden richten, die sich daran beteiligen und damit an die denken, denen die jetzige Situation große Not bringt“, sagt Schmidt und verweist auf mehr als 50 Tüten, die schon in den ersten Tagen gespendet wurden.

Für Oliver Krebs ist das ein erster wichtiger Schritt, um die Lebensmittelversorgung in der Coronakrise allmählich wieder herzustellen. „Wir mussten die Tafeln ja schließen, um zu verhindern, dass sich die ehrenamtlichen Kräfte, die vom Alter her zur Risikogruppe gehören, in Gefahr bringen“, so Krebs. Umso dankbarer ist er, dass sich mit Werner Schreiner, Gemeindepädagoge des evangelischen Dekanats Nassauer Land, ein Helfer fand, der nun mit dem Einsatzfahrzeug der Tafel die Pakete an die Haushalte verteilt, die das Essen derzeit am nötigsten brauchen. Schreiner arbeitet normalerweise in der Kinder- und Jugendarbeit des Dekanats. „Es hat mich jetzt nicht länger hinter dem PC gehalten, um über die Organisation von Veranstaltungen nachzudenken, die am Ende gar nicht stattfinden dürfen“, sagt der Pädagoge, als er die ersten 20 Lebensmittelpakte ins Auto einlädt, um sie an 13 Haushalte in der Stadt Diez und der Verbandsgemeinde Aar-Einrich auszuliefern. Bernd-Christoph Matern

Wer die Auslieferung unterstützen möchte, kann sich mit Oliver Krebs telefonisch in Verbindung setzen unter Telefon 06432-7282

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Der Diezer Tafel-Koordinator Oliver Krebs freut sich über die Unterstützung von Werner Schreiner und Rudolf Schmidt (von links), damit besonders bedürftige Kunden der geschlossenen Tafeln Lebensmittel-Spenden erhalten. Fotos: Matern/Krebs

 

Nastätten hofft auf Spenden für alternative Hilfe für Tafel-Kunden

NASTÄTTEN. Wie in Diez startete jetzt auch in Nastätten eine Spendenaktion, um die bedürftigsten Tafel-Kunden nicht im Stich zu lassen. Dort wurden sowohl im Rewe- als auch im Aldi-Markt Sammelboxen für Lebensmittel aufgestellt. „Bisher haben wir mit einmaligen Beihilfen sowie Warengutscheinen versucht, etwas zu helfen“, sagt Marion Moll vom Diakonischen Werk Rhein-Lahn in Bad Ems. „Jetzt hoffen wir, dass noch mehr Lebensmittel-Spenden zusammenkommen, um sie dann in Paketen ausliefern zu können.“ Sowohl fürs Einpacken als auch das Ausfahren hätten sich bereits einige neue ehrenamtliche Personen gefunden, die nicht zur Risikogruppe gehören, jetzt braucht es entsprechender Lebensmittel-Spenden. Die Tafel in Nastätten versorgte zuletzt 65 Haushalte mit Lebensmitteln, in denen 69 Kinder und 96 Erwachsene leben.

 

Viele Lebensmittelspenden im Bereich der Bad Emser Tafel

BAD EMS/NASSAU. Im Bereich der Verbandsgemeinde Bad Ems-Nassau ist ein Spendenprojekt bereits vor drei Wochen sehr erfolgreich angelaufen. Im Rewe-Markt von Kaufmann Ulrich Pebler in Nassau ist ein Tisch aufgebaut mit der Bitte, die dort allesamt haltbaren Waren zugunsten der Tafelkunden zu kaufen und zu spenden. In Nassau hatte sich ein junger Mann des Jugendtreffs angeboten, die dort gesammelten Lebensmittel auszufahren. Solange die Tafeln aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen bleiben müssen, will Ulrich Pebler auch die Spendeaktion fortführen. (bcm)

 

 

Mein Arbeit hilf vollbringen
zu Lob dem Namen Dein,
und lass mir wohl gelingen,
im Geist fruchtbar zu sein;
die Blümlein lass aufgehen
von Tugend mancherlei,
damit ich mög bestehen
und nicht verwerflich sei.
Martin Behm

 

 

 

Tag der Arbeit: Weltweite Krise zeigt schmerzhaft weltweite Verantwortung

RHEIN-LAHN. (1. Mai 2020). Einen solch ruhigen 1. Mai hat es seit Generationen nicht gegeben. Er geht zurück auf die Arbeitsverhältnisse und -bedingungen, die 1886 in Nordamerika herrschten und dort Massenstreiks auslösten. Die Coronakrise sorgt mit ihrem derzeitigen Versammlungsverbot für einen Feiertag, wie es ihn seit 1946 noch nie gab: ohne Kundgebungen, Mai-Märsche und auch ohne gemeinschaftliches Wandern. „Mein Arbeit hilf vollbringen“ – das ist dieser Tage keine Selbstverständlichkeit.

Und doch bietet gerade die Ausnahmesituation Gelegenheit, sich den eigentlichen Sinn dieses weltlichen Feiertags in Erinnerung zu rufen. Covid-19 sorgt für einen radikalen Stopp des Wirtschaftswachstums. Der Blick auf andere Länder zeigt: Es ist keine Selbstverständlichkeit, in einem Staat zu leben, dessen Gesetze selbst in dieser Krise noch ein finanzielles Netz bieten etwa durch Arbeitslosengeld und Kurzarbeiter-Regelungen; das ist ein bisschen Sicherheit, selbst wenn sie die Sorgen von Selbständigen, Arbeitnehmern und Arbeitgebern vor der nahen Zukunft nicht nehmen. Aber es sind Rechte, deren Basis in der Arbeiterbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelegt wurde.

Und auch die Frage, wie gerecht heute einzelne Berufsgruppen, wie zum Beispiel im Pflegebereich, bezahlt werden oder nicht, sie tritt dieser Tage deutlicher ins Bewusstsein als bei jeder Kundgebung in den vergangenen 75 Jahren. Die Coronakrise zwingt dazu, sich nicht nur mit der deutschen Sozial- und Arbeitspolitik auseinandersetzen, sondern vor allem mit globalem Handeln und Wirtschaften. Die weltweite Krise führt – leider sehr schmerzhaft – die weltweite Verantwortung für Gerechtigkeit und Gesundheit der Menschen vor Augen.

Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen sowie ethischen Fragen und Konsequenzen, die sich aus der Covid-19-Pandemie ergeben, bietet das Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Das Mainzer Zentrum hat eine Sonderausgabe ihrer Zeitschrift „Perspektiefe“ in digitaler Form herausgegeben, die Sie hier lesen können.

Der oben zitierte Vers stammt aus dem Frühlingslied „Wie lieblich ist der Maien“ (EG 501) von Martin Behm (1557 - 1622). Christen wissen sich zu allen Zeiten geborgen in Gottes Händen. Und immerhin können die Menschen im ländlich geprägten Rhein-Lahn-Kreis trotz Kontaktbeschränkungen auch noch die kurzen Wege in die Natur und dessen Wachstum und Blühen genießen. Bernd-Christoph Matern

Hier die drei ersten Strophen des Liedes:

1. Wie lieblich ist der Maien
aus lauter Gottesgüt,
des sich die Menschen freuen,
weil alles grünt und blüht!
Die Tier sieht man jetzt springen
mit Lust auf grüner Weid,
die Vöglein hört man singen,
die loben Gott mit Freud.

2. Herr, dir sei Lob und Ehre
für solche Gaben Dein.
Die Blüt zur Frucht vermehre,
lass sie ersprießlich sein.
Es steht in Deinen Händen,
Dein Macht und Güt ist groß,
drum wollst Du von uns wenden
Mehltau, Frost, Reif und Schloss.

3. Herr, lass die Sonne blicken
ins finstre Herze mein,
damit sich’s möge schicken,
fröhlich im Geist zu sein,
die größte Lust zu haben
allein an Deinem Wort,
das mich im Kreuz kann laben
und weist des Himmels Pfort.

Zum Foto:
Auf der Politik – das Foto zeigt das Bundeskanzleramt – lastet derzeit eine große Verantwortung. Die Corona-Krise macht die weltweiten Abhängigkeiten deutlich. Fotos: Matern  

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Dankbar bleiben für Demokratie und Freiheit

Tag der Deutschen Einheit: Algorithmen schaffen neue Grenzen zwischen Menschen

RHEIN-LAHN. (3. Oktober 2023) Der heutige 3. Oktober, der per Gesetz als Tag der Deutschen Einheit an den 1990 unterzeichneten Einigungsvertrag erinnert, könnte eine gute Gelegenheit sein, nach dem Erntedankfest am vergangenen Sonntag noch einmal ans Danken zu denken, ganz konkret für die Freiheit und die Demokratie, die mit diesem Datum verknüpft sind. Doch wie mit manch religiösem Feiertag nimmt auch das Interesse für den Ursprung staatlicher Feiertage ab.

BerlinBernauerKapelleDerVershnung01 2019 co becrima Vergessen scheint eine Volkskrankheit, die von der Flut an Medien eher noch gefördert wird anstatt sie mit Informationen und aufklärenden Fakten zu heilen. Im Gegenteil: Manche Zeitgenossen wünschen sich sowohl die Mauern zwischen Ost und West wieder zurück als auch Grenzzäune und -Kontrollen für einzelne Bundesländer. In den Blasen der asozialen Netzwerke wurden sie von Algorithmen sogar schon längst zwischen Menschen unterschiedlicher Auffassungen gezogen.

Wer nicht mehr nach dem Sinn und Ursprung von Feiertagen fragt, nach dem Motto „Hauptsache frei und nicht arbeiten!“, muss sich nicht wundern, wenn die damit verbundenen Freiheiten auch irgendwann weichen. Das gilt für arbeitsfreie Sonntage und christliche Feiertage ebenso wie für die staatlichen Feiertage. Welchen Sinn sollte es beispielsweise machen, dass Unternehmen Sonntags- und Feiertageszuschläge an Menschen zahlen, die ganz bewusst mit solchen Feiertagen nichts zu tun haben wollen? Wie gefährlich das politische Desinteresse an demokratischen Wahlen und einem geeinten Europa sowie der erst damit verbundenen Deutschen Einheit ist, ließe sich eigentlich ganz gut an der wirtschaftlichen Lage Großbritanniens nach dem Brexit ablesen, in dem es längst kein Geld mehr für soziale Wohltaten gibt, wie sie im vereinten Deutschland so selbstverständlich erscheinen und – noch – sind.

Die Freiheiten freier Tage zu genießen, sich ihres Ursprungs zu besinnen, hilft, sie zu erhalten. Verreisen war für die meisten Menschen in der DDR alles andere als selbstverständlich. Schlimmer noch: Familien waren über Jahrzehnte durch eine unüberwindbare Mauer getrennt; das Verlassen des Landes nur unter Todesgefahr möglich. Unfassbar, welches persönliche Leid allein mit der Grenzmauer an der Bernauer Straße (Foto oben) verbunden war. Dass sich Betroffene und Zeitzeugen noch bis an ihr Lebensende an diese Unrechtsverhältnisse erinnern werden, steht außer Frage. Die nachfolgende Generation scheint das in Ost und West längst vergessen zu haben.

A Berlin2014Bundestag co becrima Wünschenswert wäre, wenn sich wieder mehr Menschen ihrer Freiheit bewusst würden, die das Gegenteil nicht bitter durchleben mussten. Die Begeisterung und die Dankbarkeit, die den Fall der Mauer begleiteten, verblassen allmählich mit jedem Jahr. Stattdessen keimen nationalistische Parolen auf, die das genaue Gegenteil einer freiheitlichen Demokratie heraufbeschwören, von den wirtschaftlichen Folgen ganz zu schweigen. Die Mehrheit der sechs Prozent der Deutschen, die sich laut einer aktuellen Umfrage der Friedrich-Ebert-Stiftung eine Diktatur für Deutschland wünschen, dürften eine solche nie miterlebt haben. Dabei zeigen die Nachrichten von den Kriegen und Auseinandersetzungen in aller Welt doch tagtäglich, wie wenig selbstverständlich ein Leben mit demokratischen Grundsätzen, in Frieden, Freiheit und Wohlstand ist und was Diktaturen an menschlichem Leid und wirtschaftlichem Mangel anrichten.

Womit haben wir den freien Sonntag eigentlich verdient? Womit haben wir eigentlich verdient, unsere Meinung frei äußern zu dürfen und in einem Rechtsstaat zu leben? Stattdessen sinkt von Jahr zu Jahr der Besuch von Sonntagsgottesdiensten genauso wie die Beteiligung bei politischen Wahlen, während sich Milliarden von Menschen danach sehnen, denen dieser Luxus verwehrt bleibt, sowohl ihren Glauben als auch ihre politischen Rechte entfalten zu können, die dafür sgar ihr Leben aufs Spiel setzen.

Politik und Politiker schlecht zu reden, macht Mode, diesseits wie jenseits der ehemaligen Mauer. Schlimmer noch: Es führt zu einer extremistischen Abwendung von freiheitlichen demokratischen Strukturen, anstatt Politik mitzugestalten. Schlecht zu reden und gegen etwas zu sein, ist ja auch bedeutend bequemer als mitzumachen und Politik nach eigenen Vorstellungen besser zu gestalten. 

Gut, dass es die Feiertage noch gibt, auch wenn sie von immer weniger Menschen gefeiert werden. Wer nur meckert, trägt nichts dazu bei, sie zu erhalten. Bernd-Christoph Matern

Zu den Fotos:

In Berlin wird an vielen Orten an die Schrecken des Kalten Krieges, die unmenschliche Mauer mitten durch Stadt und Familien sowie an die Sehnsucht nach Einheit erinnert. So etwa an der Versöhnungskirche an der Bernauer Straße. Doch in den Köpfen von immer mehr Menschen verblassen die Erinnerungen. Sie lassen sich lieber von Algorithmen lenken als von Information und Geschichte und einem demokratisch gewählten Bundestag. Fotos: Bernd-Christoph Matern