
Tafeln im Kreis sind schon lange am Limit
Wartelisten werden länger, Nachfrage steigt extrem – Es fehlt an Personal und Platz
RHEIN-LAHN. (13. Juni 2022) Die vier Tafeln im Rhein-Lahn-Kreis haben derzeit massive Probleme, der enormen Nachfrage noch gerecht zu werden. Steigende Preise, weniger Lebensmittelspenden und fehlendes Personal sorgen etwa an den Diakonie-Standorten in Bad Ems, Diez und Nastätten für immer längere Wartelisten an Hilfsbedürftigen. Hinzu kommen Flüchtlinge aus der Ukraine, für die die Ausgabestellen eine große Unterstützung wären. In der Ausgabestelle Lahnstein sind die Kapazitätsgrenzen auch erreicht.
„Und die Lage wird sich noch verschärfen“, fürchtet Marion Moll, die beim Diakonischen Werk Rhein-Lahn die Ausgabestellen koordiniert. „Es werden noch mehr Menschen in die Tafeln wollen, die Anspruch auf eine Grundsicherung haben, da ihnen zwangsläufig noch weniger Geld zur Verfügung steht“. 341 Erwachsene und 267 Kinder in insgesamt 210 Haushalten profitieren derzeit von den drei Tafeln in Bad Ems, Diez und Nastätten. Diese müssen einen Anspruch auf Grundsicherung oder Arbeitslosengeld II haben, um Lebensmittel abholen zu können. Eine formelle Warteliste gibt es in den Diakonie-Tafeln nicht. Die Zahl derjenigen, die irgendwann nicht mehr auf die Lebensmittelspenden angewiesen sind und damit für eine Fluktuation unter den Kunden sorgte, ist stark zurückgegangen. Moll: „Niemand möchte seinen Platz hergeben“. Deshalb gibt es ein Rotationsprinzip, nachdem spätestens nach einem Jahr vorübergehend Platz für andere gemacht werden muss. Bei ukrainischen Flüchtlingen sind bisher drei Monate vorgesehen, da sich deren Situation rasch ändern könne.
Grenzen schafft die Lagerkapazität an den drei Standorten, die insgesamt pro Ausgabetag nur Platz für etwa 35 Haushalte bietet. Ein „Mehr“ wäre aber auch aufgrund der rückläufigen Zahl an ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern nicht zu stemmen. Mit der Corona-Pandemie wurde vielen Kräften im Rentenalter, die teilweise über 70 Jahre alt waren, nahegelegt, zuhause zu bleiben, um sich nicht anzustecken. Von einst knapp 150 Personen sind jetzt noch 100 im Einsatz. „Es fehlt an jungem Nachwuchs“, so Moll. Das sei nicht verwunderlich. „Wir benötigen Ehrenamtliche ja morgens in der Zeit von 8.30 und 14 Uhr und nachmittags von 14 bis 17 Uhr. Das ist für Berufstätige oder Schüler schwierig“. Es gibt aber auch Ausnahmen. So hilft in Bad Ems ein Lehrer mit einigen seiner Schüler regelmäßig in der Ausgabe, die zweimal pro Woche öffnet. In Diez und Nastätten, werden jeweils 15 Ehrenamtliche zusätzlich gebraucht würden, um die Tafeln an zwei Tagen nutzen zu können.
Ähnlich ist der Personalbedarf in der Außenstelle Lahnstein der Koblenzer Tafel. Vor Corona konnten dort mit etwa 50 Freiwilligen noch sechs Teams gebildet werden, um die Ausgabe zu stemmen. Das ist vorbei. Der Ansturm der ukrainischen Flüchtlinge hat die Ausgabestelle im katholischen Pfarrzentrum am Europaplatz an ihre Grenzen gebracht. „Wir können keine neuen mehr aufnehmen“, so Gemeindereferent Ralf Cieslik, der zusammen mit Richard Landauer die verbliebenen mehr als ein Dutzend ehrenamtlichen Mitarbeitenden in Fahrdienst und Ausgabe koordiniert.
Die ist jeden Donnerstag von 13 bis zirka 15 Uhr geöffnet und konnte von Berechtigten zunächst einmal pro Woche genutzt werden. Dann wurden zwei Gruppen gebildet, sodass Bedürftige nur noch alle 14 Tage die Lebensmittel bekamen. Dem Ansturm wurde auch das nicht gerecht. Mit jetzt 60 Haushalten wurde die Kapazität schon um mehr als ein Drittel erhöht. „Mehr geht beim besten Willen nicht mehr; wir arbeiten jetzt mit einer Warteliste.“ An Lebensmitteln und Lagerfläche mangelt es der Tafel in Lahnstein dagegen nicht. „Wir haben das Glück, Teil der Koblenzer Tafel zu sein, die mit Lebensmitteln gut versorgt ist“, so Cieslik.
Ein Grundproblem der Tafeln ist schon seit Jahrzehnten bekannt, als vor mehr als 25 Jahren die erste Tafel im Rhein-Lahn-Kreis eröffnet wurde. „Eigentlich dürfte es so etwas in einem der reichsten Länder der Welt gar nicht geben“, sagt der Leiter des Diakonischen Werkes Rhein-Lahn, Burkhard Struth. Die Tafeln seien schon lange am Limit. Anstatt aber nach Lösungen zu suchen, dass es für die Menschen nicht zu teuer wird, sich mit Lebensmitteln zu versorgen, „werden unsere Tafeln als Bestandteil der Daseinsvorsorge angesehen. Sozialpolitische Maßnahmen wie das angekündigte Bürgergeld müssen so ausgestattet sein, dass die Tafeln nicht mehr notwendig sind“, so Struth. Bernd-Christoph Matern
Wer Interesse hat, in einem der Tafel-Teams mitzuarbeiten, erhält mehr Informationen bei Marion Moll (Bad Ems, Diez und Nastätten) unter Telefon 02603- 962342, E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!; Hilfsbereite für die Lahnsteiner Ausgabestelle der Koblenzer Tafel wenden sich an Telefon 0160-96663022 oder E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.
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Die Tafeln im Rhein-Lahn-Kreis kommen nicht zuletzt durch ein mehr an Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine an ihre Kapazitätsgrenzen. Die Corona-Pandemie hatte zudem die Zahl ehrenamtlicher Kräfte, die die Tafelarbeit stemmen, stark reduziert. Fotos: Matern

Tafeln des Diakonischen Werks Rhein-Lahn bleiben zu – Hilfe kommt nun zum Haus
Kunden des REWE-Marktes sorgen nicht nur in Diez für gedeckte Tische – Gemeindepädagoge übernimmt Fahrdienst
DIEZ/RHEIN-LAHN. (24. April 2020) Seit Mitte März haben die Tafeln des Diakonischen Werkes Rhein-Lahn in Bad Ems, Diez und Nastätten geschlossen. Für viele Menschen bedeutet das eine enorme Einbuße, sind sie doch auf die Essensausgabe angewiesen, um einigermaßen finanziell über die Runden zu kommen. „Die Situation spitzt sich in manchen Haushalten gerade enorm zu“, weiß Oliver Krebs, der in Diez die Lebensmittel-Ausgabe koordiniert.
Krebs kennt die prekäre Lage vieler älterer Menschen und von Familien mit Kindern, die unter der Schließung der Tafeln besonders leiden, aus vielen Beratungsgesprächen, und punktuell sorgten er und einige Freiwillige im vergangenen Monat für ein wenig Unterstützung. Umso dankbarer ist er aber jetzt, dass es in Diez jetzt neue Unterstützung gibt, um wenigstens die bedürftigsten ehemaligen Kunden mit einem Lieferservice zu versorgen.
Zum Einen ist da die Initiative von Rudolf Schmidt. Der Inhaber des Diezer REWE-Marktes hat im Eingangsbereich einen Tisch aufgebaut mit allerlei Lebensmitteln. Die befinden sich auch in den Papier-Tragetaschen, die daneben stehen. „Gemeinsam Tische decken“ steht an der Wand darüber. Kunden können für 6 Euro eine solche Tasche kaufen, die dann vom Diakonischen Werk an die bedürftigsten Tafel-Kunden verteilt werden. „Ich muss ein dickes Dankeschön an die Kunden richten, die sich daran beteiligen und damit an die denken, denen die jetzige Situation große Not bringt“, sagt Schmidt und verweist auf mehr als 50 Tüten, die schon in den ersten Tagen gespendet wurden.
Für Oliver Krebs ist das ein erster wichtiger Schritt, um die Lebensmittelversorgung in der Coronakrise allmählich wieder herzustellen. „Wir mussten die Tafeln ja schließen, um zu verhindern, dass sich die ehrenamtlichen Kräfte, die vom Alter her zur Risikogruppe gehören, in Gefahr bringen“, so Krebs. Umso dankbarer ist er, dass sich mit Werner Schreiner, Gemeindepädagoge des evangelischen Dekanats Nassauer Land, ein Helfer fand, der nun mit dem Einsatzfahrzeug der Tafel die Pakete an die Haushalte verteilt, die das Essen derzeit am nötigsten brauchen. Schreiner arbeitet normalerweise in der Kinder- und Jugendarbeit des Dekanats. „Es hat mich jetzt nicht länger hinter dem PC gehalten, um über die Organisation von Veranstaltungen nachzudenken, die am Ende gar nicht stattfinden dürfen“, sagt der Pädagoge, als er die ersten 20 Lebensmittelpakte ins Auto einlädt, um sie an 13 Haushalte in der Stadt Diez und der Verbandsgemeinde Aar-Einrich auszuliefern. Bernd-Christoph Matern
Wer die Auslieferung unterstützen möchte, kann sich mit Oliver Krebs telefonisch in Verbindung setzen unter Telefon 06432-7282
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Der Diezer Tafel-Koordinator Oliver Krebs freut sich über die Unterstützung von Werner Schreiner und Rudolf Schmidt (von links), damit besonders bedürftige Kunden der geschlossenen Tafeln Lebensmittel-Spenden erhalten. Fotos: Matern/Krebs
Nastätten hofft auf Spenden für alternative Hilfe für Tafel-Kunden
NASTÄTTEN. Wie in Diez startete jetzt auch in Nastätten eine Spendenaktion, um die bedürftigsten Tafel-Kunden nicht im Stich zu lassen. Dort wurden sowohl im Rewe- als auch im Aldi-Markt Sammelboxen für Lebensmittel aufgestellt. „Bisher haben wir mit einmaligen Beihilfen sowie Warengutscheinen versucht, etwas zu helfen“, sagt Marion Moll vom Diakonischen Werk Rhein-Lahn in Bad Ems. „Jetzt hoffen wir, dass noch mehr Lebensmittel-Spenden zusammenkommen, um sie dann in Paketen ausliefern zu können.“ Sowohl fürs Einpacken als auch das Ausfahren hätten sich bereits einige neue ehrenamtliche Personen gefunden, die nicht zur Risikogruppe gehören, jetzt braucht es entsprechender Lebensmittel-Spenden. Die Tafel in Nastätten versorgte zuletzt 65 Haushalte mit Lebensmitteln, in denen 69 Kinder und 96 Erwachsene leben.
Viele Lebensmittelspenden im Bereich der Bad Emser Tafel
BAD EMS/NASSAU. Im Bereich der Verbandsgemeinde Bad Ems-Nassau ist ein Spendenprojekt bereits vor drei Wochen sehr erfolgreich angelaufen. Im Rewe-Markt von Kaufmann Ulrich Pebler in Nassau ist ein Tisch aufgebaut mit der Bitte, die dort allesamt haltbaren Waren zugunsten der Tafelkunden zu kaufen und zu spenden. In Nassau hatte sich ein junger Mann des Jugendtreffs angeboten, die dort gesammelten Lebensmittel auszufahren. Solange die Tafeln aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen bleiben müssen, will Ulrich Pebler auch die Spendeaktion fortführen. (bcm)