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Lebensräume für bedrohte Pflanzen- und Tierarten

Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung in Mainz fördert evangelische Kirchengemeinden

 MAINZ/RHEIN-LAHN. (24. Januar 2024) Biodiversität – die Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten – ist eine der essentiellen Lebensgrundlagen des Menschen. Darauf weist das Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hin und warnt vor der stark sinkenden Biodiversität weltweit und in Deutschland. Die Verluste an Insekten beeinträchtigten beispielsweise die Bestäubung von Pflanzen und die Futtergrundlage für Vögel. Um dem entgegen zu wirken, hat das Zentrum in Mainz einen Förderfonds bereit gestellt. Damit will es evangelische Einrichtungen und Kirchengemeinden in ihrem Bemühen unterstützen, Lebensräume für bedrohte Pflanzen und Tiere zu schaffen.

Die Anlage von insektenfreundlichen Beeten und Wiesen, das Anbringen von Nistkästen, die Anpflanzung von einheimischen Gehölzen und Obstbäumen sowie der Erhalt von Vogel- und Fledermausquartieren in Kirchtürmen sind einige Beispiele, die mit bis zu 600 Euro aus dem Fonds gefördert werden können.

Ansprechpartnerin für die Förderung und entsprechende Anträge beim Zentrum in Mainz ist die Referentin für den Ländlichen Raum Dr. Maren Heincke; Telefon 06131/2874447 oder E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Hier finden Sie mehr Informationen zum Thema.

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Fordernde und Sinn stiftende Hilfe: Notfallseelsorge startet neuen Grundkurs

Ehrenamtliches Leitungsteam sucht vor allem Verstärkung für den Rhein-Lahn-Kreis

 RHEIN-LAHN. (11. Dezember 2023) Nachdem die ehemalige Leiterin der Notfallseelsorge Rhein-Lahn-Westerwald (NFS) in den Ruhestand verabschiedet wurde, hat ein hoch engagiertes Team Ehrenamtlicher diese Aufgabe übernommen: Bea Vogt, Rainer Dämgen und Gerhard Stubig kümmern sich um die Koordination der rund 40 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer. Von Seiten der Evangelischen Kirche sind Gerhard Stubig für das NFS-System Rhein-Lahn und Bea Vogt für den Bereich Westerwald zuständig. Rainer Dämgen vertritt die katholische Seite und leitet gemeinsam mit Bea Vogt die Ausbildung für beide Systeme.

Im Gespräch werben Dämgen und Vogt dafür, sich in der Notfallseelsorge zu engagieren, einem Dienst, der fordernd und sinnstiftend zugleich ist. Am Montag, 26. Februar kommenden Jahres beginnt der neue NFS-Grundkurs; noch bis Ende des Jahres können sich Interessierte dazu anmelden.

130-Mal sind die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer im vergangenen Jahr ausgerückt – ungefähr so oft wie in den Jahren zuvor, sagt Bea Vogt: „Trotzdem wird die Situation herausfordernder. Denn den Ehrenamtlichen mangelt es zunehmend an Zeit.“ Nicht alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber seien bereit, Leute während des Bereitschaftsdienstes freizustellen. Um das abzufedern, wollen die beiden Systeme im Rhein-Lahn-Kreis und im Westerwaldkreis künftig noch enger zusammenarbeiten. Aber es braucht eben auch mehr Menschen, die sich in der NFS engagieren.

RettungseinsatzRL2007 becrima Besondere Qualifikationen sind dafür nicht nötig. Neben dem Führerschein kommt es vor allen Dingen auf die innere Stabilität an, so Vogt: „Man sollte empathisch sein; offen über das sprechen können, was die Seele belastet, aber auch in der Lage sein, einen Einsatz hinter sich zu lassen.“ Denn die Einsätze kosten Kraft sowohl körperlich, wenn man schon mal lange an der Autobahn in der Kälte stehen muss, als auch seelisch. „Unsere Aufgabe ist, Menschen in Ausnahmesituationen beizustehen. Wir leisten erste Hilfe für die Seele und sind da, wenn für andere eine Welt zusammenbricht“, fasst Vogt zusammen. Besonders oft werden die Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger beim häuslichen Tod, zum Überbringen einer Todesnachricht oder bei Suizid gerufen.

So herausfordernd manche Einsätze auch sind: Die Notfallseelsorgerinnen lassen sich gegenseitig nicht alleine. Neben dem Diensthabenden vor Ort gibt es einen zusätzlichen Hintergrunddienst, der zu Hilfe kommt, wenn es die Situation erfordert. „Die Notfallseelsorgerinnen sind in ein stabiles System und eine gute Gemeinschaft eingebunden, zu der die Einsatznachbesprechung ebenso gehört wie die regelmäßige Supervision und eine fundierte Ausbildung“, sagt Rainer Dämgen.

Notfallseelsorge Ausbildungsleiter Daemgen Vogt Foto bongardDie beginnt am 26. Februar 2024 mit dem nächsten Grundkurs der Notfallseelsorge. „Der Grundkurs umfasst rund 140 Stunden“, erklärt Dämgen. Zu Beginn gibt es ein Vorgespräch mit Interessierten. „Währenddessen schauen wir, ob’s passt: Wir möchten wissen, warum jemand bei uns mitarbeiten möchte und ob die Person teamfähig ist. Denn die Gemeinschaft ist in unserem Dienst unglaublich wichtig: Wir müssen uns aufeinander verlassen können und Hand in Hand arbeiten – auch ohne große Worte“, unterstreicht der Ausbilder.

Dann beginnt eine Intensivwoche. „Währenddessen sprechen wir beispielsweise darüber, wie Menschen mit Tod und Trauer umgehen; es geht um Selbstfürsorge oder um die Strukturen der NFS. Außerdem stellen wir Einsätze mit Rollenspielen nach“, erläutert Vogt. Nach der Woche folgen kürzere Seminare sowie Praktika und Hospitationen. Die gesamte Ausbildung folgt einem bundeseinheitlichen Lehrplan und dauert etwa ein Jahr. An deren Ende werden die neuen Helferinnen und Helfer in einem feierlichen Gottesdienst in den Dienst eingeführt. Für das neue ehrenamtliche NFS-Leitungsteam ist dieser Segen wichtig und weit mehr als ein feierlicher Akt: „Wir arbeiten im Auftrag Gottes, der das Leben liebt“, sagt Dämgen. „Er gibt mir Kraft, das auszuhalten, was kaum auszuhalten ist.“

Nicht mehr und nicht weniger. Denn jeder Einsatz sei anders. „Und oft ist es gut und richtig, Menschen ohne große Worte oder gar gut gemeinte Ratschläge einfach beizustehen“, so Dämgen: „Wofür mache ich das? Für den Satz: Danke, dass Sie da waren. Menschen helfen – da, wo sie es brauchen. Darum geht es in unserer Arbeit.“ (bon)

Mehr Infos und Anmeldung (bis 31. Dezember) zum nächsten Grundkurs für Interessierte aus dem Rhein-Lahn-Kreis: Telefon 02663/968210.

 

Zu den Fotos:

Das Team der Notfallseelsorge im Rhein-Lahn-Kreis freut sich über Verstärkung von Menschen, die eine zwar fordernde, aber auch hilfreiche wie Sinn stiftende Tätigkeit suchen. Der nächste Grundkurs startet im Februar kommenden Jahres. Anmeldungen werden bis 31. Dezember 2023 erbeten.

Als Erste Hilfe für die Seele wird die Notfallseelsorge auch bezeichnet; sie ist Teil der Rettungskette sei es bei schweren Verkehrsunfällen oder anderen tragischen Ereignissen. Foto: Bernd-Christoph Matern

Rainer Dämgen und Bea Vogt sind für die Ausbildung im Leitungsteam der Notfallseelsorge Rhein-Lahn-Westerwald zuständig. Sie würden sich über viele Interessierte für den nächsten Grundkurs auch aus dem Rhein-Lahn-Kreis freuen. Foto: Peter Bongard

HINTERGRUND: Die Notfallseelsorge Rhein-Lahn-Westerwald

Seit mehr als 20 Jahren leistet die Notfallseelsorge Rhein-Lahn-Westerwald erste Hilfe für die Seele. Sie steht Menschen in akuten Notsituationen bei und arbeitet eng mit den Einsatzkräften zusammen. Zurzeit besteht sie aus rund 40 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. Bea Vogt, Rainer Dämgen und Gerhard Stubig leiten die NFS ehrenamtlich; die Pfarrstelle Notfallseelsorge, die Pfarrerin Ulrike Braun-Steinebach innehatte, ist momentan noch unbesetzt.

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Förderverein hofft auf Verstärkung in Gemeinden und Bevölkerung

Evangelische Kirche und Spenden wichtige Stütze für Diakoniestation Loreley-Nastätten

 NASTÄTTEN/RHEIN-LAHN. (10. April 2024) „Der Förderverein und die kirchlichen Zuwendungen sind ein wichtiger Baustein für die Arbeit der Diakoniestation; aber wir brauchen mehr Unterstützung.“ Das sagt Berthold Krämer, der Vorsitzende des evangelischen kirchlichen Zweckverbands der Diakoniestation Loreley-Nastätten. Er muss es wissen, wurde er doch in diesem Jahr für sein mehr als 25-jähriges Wirken für die Station mit dem Goldenen Kronenkreuz der Diakonie ausgezeichnet. Der Förderverein der Station dankte Krämer in einer Vorstandssitzung in Miehlen noch einmal für sein langjähriges Engagement und diskutierte, wie der Verein selbst wieder mehr Mitglieder gewinnen kann.

„Die Station steht gut da“, berichtete Krämer dem Förderverein. Etwa 350 Klienten werden täglich mit dem knapp 60 Kräfte starken Team der Station in der Verbandsgemeinde Nastätten und in Teilen der Verbandsgemeinde Loreley angesteuert. Aber immer höhere gesetzliche Auflagen und Vorgaben der Krankenkassen sorgten in den vergangenen Jahren für einen immensen Verwaltungsaufwand. „Gäbe es den Förderverein und die evangelische Landeskirche als Zuschussgeber nicht, bekämen wir große Probleme“, stellte der Vorstandsvorsitzende der Diakoniestation Alfred Hammann nüchtern fest.

Immerhin habe die Station überall in der Region einen sehr guten Ruf und sei im Bewusstsein zumindest der älteren Bevölkerung fest verankert, wenn die ambulante Pflege gefragt ist, damit Menschen so lange wie möglich in den vertrauten Wänden wohnen können. „Aber es braucht eben auch finanzielle Unterstützung“, so Hammann.

 

Kehrtwende bei Mitgliederzahl

DS Lo Nae Fahrzeug becrima Eine Kehrtwende, was die Entwicklung seiner Mitgliederzahlen anbelangt, hat sich der Förderverein deshalb für dieses Jahr auf die Fahnen geschrieben. Die Zahl schrumpfte in den vergangenen 20 Jahren von knapp 2000 auf derzeit noch zirka 650. Das hat wirtschaftliche Folgen, wie Kassierer Siegfried Burdinski am Beispiel des Fuhrparks vorrechnet, der mit 13 Autos aufgrund der weiten Wege ein dicker Ausgabe-Posten ist. Strecken zwischen 40 und 120 Kilometern werden täglich damit zurückgelegt. „Vor 15 Jahren konnten wir dank Mitgliedsbeiträgen und Spenden jedes Jahr noch drei neue Fahrzeuge finanzieren; jetzt reicht es nur noch für eins.“ Deshalb will der Förderverein eine neue Mitgliederwerbung starten.

„Früher wurde die Mitgliedschaft von Generation zu Generation weiter gereicht. Heute kommt die Kündigung von den Angehörigen, wenn wir nicht mehr gebraucht werden“, erklärt Berthold Krämer. Viele jüngere Menschen dächten gar nicht an die mögliche eigene Pflegebedürftigkeit oder würden sich ganz und gar auf den Staat verlassen. Angesichts rückläufiger Kirchensteuereinnahmen, die eine Bezahlung der Pflegekräfte nach kirchlichem Tarif ermöglicht und die Arbeit anderweitig unterstützt, dürfte diese Rechnung allerdings nicht aufgehen, fürchtet auch Schriftführer Erich Emmerich. „Da nutzen ja alle gezahlten Beiträge zur Pflegeversicherung nichts, wenn es vor Ort keine Dienste mehr gibt, die die ambulante Pflege übernehmen.“

DS Lo Nae Frderverein becrima Über digitale Medien und neue Faltblätter soll die Arbeit und Bedeutung des Fördervereins in den kommenden Monaten in der breiten Öffentlichkeit gestärkt werden. „Wir hoffen da auch auf Unterstützung sowohl der Orts- als auch der Kirchengemeinden“, sagt der Vorstandsvorsitzende des Fördervereins Pfarrer Michael Wallau. Dass öffentliche Kassen vielerorts klamm sind, ist dem Verein durchaus bewusst. „Vielleicht lassen sich trotzdem Lösungen für eine Mitgliedschaft finden“, so Hammann. Es gehöre ja zur Lebensqualität einer Region, wenn es eine Diakoniestation gibt, die im Falle der Pflegebedürftigkeit zur Stelle ist. Und bei einem Mindest-Jahresbeitrag von zwölf Euro im Jahr könnte das seiner Meinung nach auch Ansporn für Bürgerinnen und Bürger sein, ihre Solidarität mit dem diakonischen Angebot durch eine Mitgliedschaft zu bezeugen, „selbst wenn man es selbst nie in Anspruch nehmen müsste“.

Wer sich für die Arbeit der Diakoniestation Loreley-Nastätten oder eine Mitgliedschaft in deren Förderverein interessiert, findet auf dieser Website mehr Informationen.

 

Dank an Kronenkreuz-Träger Berthold Krämer

„Menschen wie Berthold Krämer braucht es fürs diakonische Handeln in unserer Region“, sagte Fördervereins-Vorsitzender Michael Wallau. Im Namen des Vereins gratulierte er Krämer noch einmal zum Erhalt des Goldenen Kronenkreuzes der Diakonie. Es ist die höchste Auszeichnung, die vom Diakonischen Werk für Hessen und Nassau vergeben wird. Alfred Hammann und die Leiterin der Station Sonja Schmidt hatten es ihm jüngst überreicht.

Mehr als 25 Jahre engagiert sich Krämer bereits ehrenamtlich für die Diakoniestation. Unter anderem war er von 2010 bis 2016 Vorstandsvorsitzender und ist seit 2016 Vorsitzender des evangelisch-kirchlichen Zweckverbandes, dem er seit 1998 angehört, seit 2001 im Vorstand. „Es gab manche Herausforderung zu meistern, aber es war immer eine sehr schöne, weil sehr wertvolle Aufgabe, sich für die pflegebedürftigen Menschen in der Region einzusetzen“, blickt Krämer dankbar zurück. Dass die Station in dieser Zeit um das Dreifache gewachsen ist, habe zwar viel Arbeit gemacht, erfülle ihn aber gleichermaßen mit großer Freude, „auch wenn die Gesetzgebung manche Hürden einbaue“. Trotz Wachstum konnten immer wieder neue Kräfte fürs Team gewonnen werden. „Das spricht für das Arbeitsklima in der Station“, so der 72-Jährige aus Hunzel. Bernd-Christoph Matern

Zum Foto:

Gratulation: Fördervereinsvorsitzender Michael Wallau (rechts) dankte mit einem Blumenstrauß dem seit mehr als 25 Jahren für die Diakoniestation Loreley-Nastätten engagierten Berthold Krämer, dem das Goldene Kronenkreuz der Diakonie verliehen wurde. Darüber freuten sich auch die anderen Mitglieder des Fördervereins (von links): Monika Theis-Wöll, Siegfried Burdinski, Erich Emmerich, Diakoniestations-Vorstand Alfred Hammann und Volker Saueressig. Fotos: Matern

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„Mensch achte den Menschen“

Eine Fortbildung zur Geschichte der Stiftung Scheuern führte Mitarbeitende nach Hadamar

A GSH0515 MalMadM co becrima NASSAU/HADAMAR. (10. Juli 2025) In der Stiftung Scheuern in Nassau wird auf freiwilliger Basis immer wieder eine Fortbildung zur eigenen Unternehmensgeschichte angeboten – aus gutem Grund. Es liegt der Einrichtung, die Menschen mit Behinderung begleitet, am Herzen, sich ihrer Vergangenheit und damit ihrer besonderen Verantwortung zu stellen und auch unter den Mitarbeitenden noch mehr Sensibilität für Mitmenschlichkeit zu schaffen.

In der NS-Zeit zwischen 1933 und 1945 war die Einrichtung für hunderte Menschen mit Einschränkung die vorletzte Station vor dem gewaltsamen Tod. Diesen Teil der Unternehmensgeschichte kennenzulernen, die Hintergründe zu verstehen und ihnen nachzuspüren, zu entdecken, wie das mit dem Hier und Heute zusammenhängt, das war Ziel der jetzigen Fortbildungsfahrt vom Nassauer Stadtteil Scheuern nach Hadamar.

A GSH0515 TafelBus co becrima Früher wie heute war der Bus das Transportmittel. Aber mit großem Unterschied: „Wir können aus dem Fenster schauen. Das ging für die Menschen damals nicht!“ Das stellten die Mitfahrenden schnell fest, denn die Erzählung, dass Menschen mit Behinderung in grauen Bussen mit überpinselten Scheiben ihre letzte Fahrt antreten mussten, hält sich in Scheuern und in der ganzen Region seit mehr als 80 Jahren und wurde bei der anschließenden Führung in der ehemaligen so genannten Landesheilanstalt in Hadamar entsprechend bestätigt. Mehr als 10.500 Menschen mit Behinderung wurden so nach Hadamar gebracht und dort 1941 in der Gaskammer ermordet und weitere 4500 Menschen starben in den Folgejahren bis 1945 an bewusster Mangelernährung oder durch absichtliche Überdosierung von Medikamenten. Wie konnte es dazu kommen?

Auf dem Weg zur Antwort auf diese Frage leitete Birgit Sucke, Mitarbeiterin der Gedenkstätte Hadamar, ihre Führung mit einigen Zitaten ein, die die Teilnehmenden in eine chronologische Reihenfolge bringen sollten. Daran wurde schnell deutlich, dass das menschenverachtende System der Nationalsozialisten gesellschaftlich tief verwurzelt war.

Erste Diskussionen um den „Wert“ von Menschen und ihre vermeintlichen unterschiedlichen „Rassen“ finden sich spätestens im 19. Jahrhundert zunächst in wissenschaftlichen Kreisen, dann mit breiterer Streuung in der Bevölkerung. Pervertiert und auf die grausame Spitze getrieben endeten die so genannte Rassehygiene und der Sozialdarwinismus im millionenfachen Mord an Juden, Homosexuellen, Sinti und Roma, politisch Andersdenkenden und vielen weiteren Bevölkerungsgruppen, die nicht ins System der Nationalsozialisten in Hitler-Deutschland passten. Darunter waren auch fast 1500 Menschen, die zuvor in der Einrichtung in Scheuern wegen ihrer geistigen oder psychischen Beeinträchtigung oder einer Hirnschädigung wohnten oder dort für einige Zeit als Bewohner der so genannten Zwischenanstalt auf staatlichen Befehl untergebracht waren.

Vorbereitet und begleitet wurden diese Gräuel von staatlich gesteuerter Propaganda, die die Ausstellung in den Räumen der Gedenkstätte ebenfalls bebildert und die damals beabsichtigte Wirkung verdeutlicht: Wenn nur stark, gesund und „verwertbare Arbeitsleistung“ in einer Gesellschaft als „wertvoll“ erachtet werden, dann können Menschen, die diesem Bild auf den ersten Blick nicht entsprechen, aussortiert werden. Aktuelle Parallelen aufgrund medialer Diskussionen unserer Zeit wurden von den Teilnehmenden identifiziert. Diese Parallelen bestimmen unterschwellig immer noch trotz der Anerkennung der Menschenrechte, der UN-Behindertenrechtskonvention und ihrem Ausfluss in nationale Gesetzgebung vielfach die gesellschafts-, bildungs- und sozialpolitische Diskussionen. Die Schwierigkeiten der geforderten gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderung an der Gesellschaft erfahren die mitgereisten Heilerziehungspfleger, Pädagogen und beruflich mit Menschen mit Beeinträchtigung Arbeitenden täglich.

BildungsfahrtStiftung MA0525b NoertershaeuserNach dem Workshop schloss Birgit Sucke eine Führung an, die dem Weg der Ermordeten nachging: Der Bus fuhr in die Garage, von dort ging es durch einen Gang in den Raum der Aufnahme. Alles war so, wie es viele aus ihren Einrichtungen kannten, das Mitgebrachte und die Kleider notieren, wiegen, messen, auch die abschließende Untersuchung durch den Arzt. Dass dabei schon ein fingierter Todesgrund, mit dem man die Angehörigen informieren wollte, ersonnen wurde, wussten die Betroffenen allerdings nicht.

Danach führte der Weg direkt in den Keller zur als Dusche getarnten Gaskammer. Der Arzt drehte den Gashahn auf und die Menschen erstickten in Hadamar an Kohlenmonoxyd. Ihre Leichname wurden auf einer speziellen Schleifspur zum Verbrennungsofen gezerrt und dort verbrannt oder im Nebenraum zuvor noch zu wissenschaftlichen Zwecken seziert. Die Asche, die teilweise den Angehörigen zugeschickt wurde, war mitnichten die persönliche Asche des angeblich Verstorbenen. 

Meist kamen drei Busse pro Tag an, jeder mit zirka 20 bis 30 Personen besetzt. Darunter waren auch die Busse, die wie die Gruppe der Fortbildungsteilnehmer im Hof der Stiftung Scheuern gestartet waren. Von vielen von ihnen sind die Akten, die in Scheuern zum Teil die Jahrzehnte überdauert haben, die letzte Spur. So wurden in Hadamar von Januar bis August 1941 über 10.500 Menschen umgebracht, bevor diese Art der Vernichtung so genannten „lebensunwerten Lebens“ endete und nach ein paar Monaten Pause per Giftmord oder Unterversorgung mit weiteren 4500 Opfern fortgeführt wurde. Insgesamt fanden 15.000 Menschen in Hadamar den Tod.

A GSH0515 ZumGedenken co becrimaAn die Führung durch die Räumlichkeiten, die noch heute den perfiden und industriellen Geist der Massenvernichtung atmen, schloss sich ein Workshop für die Teilnehmenden der Exkursion aus Scheuern an, der die Einzelschickale näher beleuchtete. Die Gedenkstätte Hadamar sieht es als bleibende Aufgabe, den Ermordeten wieder eine Biografie und ihre Individualität zurückzugeben. Mit Memory-Boxen, also Erinnerungsschachteln gefüllt mit persönlichen Gegenständen, konnten sich die Teilnehmenden in Kleingruppen den ermordeten Menschen mit Behinderung nähern: hineinschauen und -fühlen, was sind das für Gegenstände, was sagen sie über den Menschen aus, dem sie gehörten?

Schnell wurde klar, wie unterschiedlich und individuell die Schicksale der ermordeten Menschen waren und wie wenig der Einzelne im System des Nationalsozialismus galt. Genauso wurde der Gruppe bewusst, dass in Hadamar Menschen umgebracht wurden, die heute zu den Zielgruppen der Stiftung Scheuern gehören: Menschen mit geistiger Einschränkung, psychischer Erkrankung oder erworbener Hirnschädigung. Menschen wie Otto Curth, im Einsatz für die Kriegsberichterstattung einen Unfall hatte und dann als Soldat mit Hirnverletzung nicht mehr „nützlich“ war. Oder Günter Roderich Michel, der wegen seines Down-Syndroms, damals Mongoloismus genannt, dem staatlichen Schulsystem als bildungsunfähig galt, dessen Eltern sich aber von einer Unterbringung in einer Einrichtung wie Scheuern Förderung mit Aussicht auf Erfolg versprochen hatten und die sich intensiv um ihr Kind bemühten, es nicht „abschieben“, sondern eine Chance für ihr Kind wollten. Oder Horst Spieler, ein junger Mann aus schwierigen Verhältnissen mit herausforderndem Verhalten, der mit der einem jüdischen Elternteil und seiner psychischen Verfasstheit nicht als „gesellschaftsfähig“ angesehen wurde. Sie alle mussten sterben, weil ihrem Leben im Nationalsozialismus kein „Wert“ beigemessen, weil sie nur als „Kostenfaktor“ und „Ballastexistenzen“ wahrgenommen werden sollten.

So führte der letzte Weg im Rahmen der Führung die Exkursionsgruppe auf den Friedhof der damaligen Landesheilanstalt hinauf zu den Massengräbern der NS-Zeit, in denen die Opfer der Jahre 1943-45 bestattet wurden. Mahnend und auffordernd steht dort eine Stele mit der Inschrift „Mensch, achte den Menschen“. Manuela Nörtershäuser

Fotos: Nörtershäuser/Matern

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Puchtler zum Propsteisprecher gewählt

Gruppe tagte im Vorfeld zur digitalen Landessynode der EKHN in der kommenden Woche

RHEIN-LAHN. (19. November 2020) Frank Puchtler ist der künftige Sprecher der Propsteigruppe Rheinhessen und Nassauer Land in der Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Der 58-Jährige aus Oberneisen (Rhein-Lahn-Kreis), der das Dekanat Nassauer Land seit 2010 in der Landessynode vertritt, wurde als Nachfolger von Dr. Birgit Pfeifer aus Mainz gewählt, die den Vorsitz des Verwaltungsausschusses übernimmt.

Die Gruppe hatte Puchtler, der auch Landrat des Rhein-Lahn-Kreises ist, während eines Treffens zur Vorbereitung der nächsten Tagung der Kirchensynode in der kommenden Woche einstimmig gewählt. Er ist damit Mitglied des Ältestenrates, der die Landessynode der EKHN vorbereitet. Zur Stellvertreterin wurde einstimmig die Synodale Gundi Bäßler aus Rheinhessen gewählt.

Die EKHN-Kirchensynode ist als oberstes Entscheidungsgremium der evangelischen Landeskirche einem Parlament vergleichbar, das in der Regel zweimal im Jahr tagt. Es wird sich in der kommenden Woche vom 25. bis zum 28. November in einer rein digitalen Tagung treffen, beraten und entscheiden. Ursprünglich war die Tagung als analoges Treffen mit Übertragung ins Internet in Alsfeld geplant. (bcm)

Zum Foto:

Von links: Frank Puchtler wurde zum Propsteisprecher Rheinhessen und Nassauer Land gewählt, hier mit dem Vorsitzenden der Kirchensynode Ulrich Oelschläger sowie Astrid Ellermann, Bärbel Goerke und Pfarrerin Yvonne Fischer, die das Dekanat Nassauer Land in der Kirchensynode vertreten. Archiv-Foto: Matern