
Jubiläum am Rhein-Lahn-Eck: Kirchen sind Orte, die alle Menschen einladen
Mit Kirchenpräsidentin Tietz in Lahnstein an Bau des evangelischen Gotteshauses vor 150 Jahren erinnert
LAHNSTEIN/RHEIN-LAHN. (29. Juni 2025) Mit einem feierlichen Gottesdienst und einem fröhlichen Fest hat die evangelische Kirchengemeinde Oberlahnstein an Bau und Einweihung ihrer Kirche in der Lahnsteiner Nordallee vor 150 Jahren erinnert. „Kirchen sind Orte, die alle Menschen einladen. Jeder darf kommen“, sagte Christiane Tietz, Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Sie hielt die Festpredigt zum Jubiläum.
In dieser Kirche könne man Dinge erleben, die sich mit Geld nicht kaufen lassen, erklärte Tietz zum biblischen Predigttext, in dem ein Kaufmann durstigen Menschen Wasser anbietet, ohne dafür zahlen zu müssen. Gemeinschaft, freiwillige Fürsorge füreinander, die Nähe Gottes und eine erfüllte reiche Zeit seien dort zu haben. „Sicher braucht es auch Geld, um eine Kirche zu bauen“, so Tietz. Aber so kreativ die Gemeinde auch sei, Geld zu sammeln, geschehe dies nicht in Absicht eines Kaufgeschäfts für Reiche, „sondern damit alle Menschen hier etwas finden, um sich im Alltag unterbrechen zu lassen“. Gott selbst rufe „Kommt her zu mir!“ und biete Getränke und nahrhaftes Essen für den inneren Menschen, für die Seele. „In der Geschichte dieser Kirche haben Menschen schwierige Phasen und Umbrüche, Hoch-Zeiten und tiefe Täler durchlebt“, so die Theologin. „Gottes Bund blieb bestehen. Immer wieder konnten Menschen hier die Nähe und Fürsorge Gottes erleben.“
Dem Festgottesdienst, den die Gemeindepfarrer Kerstin Graf und Benjamin Graf mit gestalteten, verlieh der Auftritt des Fanfarenzugs der TGO Lahnstein einen festlichen Charakter. Kirchenmusiker Jona Feilbach spielte nicht nur die Orgel, sondern scharte auch einen Projektchor um sich, der zehn Wochen für diesen Auftritt geprobt hatte. „O happy day“ klang es fröhlich und vielsagend in dem im Jahr 1875 eingeweihten Gotteshaus. Vom steinernen evangelischen Geburtstagskind strömten die Festgäste dann hinüber zum Gemeindehaus in der Wilhelmstraße.
Dort begrüßte Benjamin Graf jede Menge Kinder und Erwachsene und meinte nach dem stimmungsvollen Einzug des Fanfarenzugs in Richtung Kirchenpräsidentin: „In der Kirche fehlt etwas, das wir hier in Lahnstein haben!“, um dem Musikzug dann zur Feier des Tages mit einem dreifach donnernden Helau zu danken. Allen engagierten Vereinsmitgliedern und Menschen, die nicht nur das Fest tatkräftig und mit finanziellen Zuwendungen ermöglichen, galt der Dank des Gemeindepfarrers. „Auf ihr Wohl und unsere Kosten!“, rief er zum Trinken, Pizzaessen und Feiern ein. Dekanin Kerstin Janott und die Vorsitzende der Dekanatssynode Astrid Ellermann überreichten einen großen Schirm in Regenbogenfarben, der bei Regen wie bei der großen Hitze des Jubiläums gute Dienste tut. Er möge an die Vielfalt der Menschen und ihrer Begabungen erinnern, auf die eine Gemeinde angewiesen sei, so die Dekanin. „Jeder kann etwas anderes.“ Gottes Geistkraft führe zusammen. In diesem Sinne gemeinsam unter Gottes Schutz und Schirm unterwegs zu bleiben, wünschten die beiden der Kirchengemeinde.

Dass es im katholischen Rheinland für viele protestantische Generationen sicher nicht einfach gewesen sei, meinte Lahnsteins Bürgermeister Johannes Lauer, bis dann mit der evangelischen Kirche in der Nordallee zugleich ein neues Wahrzeichen der Stadt erbaut worden sei. Besonders dankte er für den „wahnsinnig großen Einsatz“ der Kirchengemeinde. „Was sie hier in unserer Gesellschaft alles leisten, wissen viele gar nicht“, so der städtische Vertreter und nannte als Beispiel die Kindergärten. Mit der Rein-Lahn-Nixe war Kur- und Verkehrsvereins-Vorsitzender Günter Groß zum Jubiläum gekommen. Es gehe nicht nur ums Erinnern an vergangene Zeiten, erklärte Sarah I. in ihrem Grußwort. Vielmehr sei die Kirche ein lebendiger Teil und Ort für den Glauben, die Heimat und Orientierung gebe und „Impulse für die Zukunft“, so die charmante Repräsentantin der Stadt am Zusammenfluss von Rhein und Lahn.
Neben Spiel und Spaß für die kleinen Gäste rund ums Gemeindehaus sowie im benachbarten Hof des Jugendkulturzentrums lockerte Gesang den regen Austausch bis zum Nachmittag auf. So gab außer dem Projektchor auch der Lahnsteiner Männerchor unter Leitung von Jürgen Salzig mit kräftigem Klang ein Geburtstagsständchen zum Besten. Bernd-Christoph Matern
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Gebührend und mit viel Gesang und Fanfarenklang gefeiert wurde das Jubiläum der vor 150 Jahren erbauten evangelischen Kirche in Oberlahnstein. Kirchenpräsidentin Christiane Tietz hielt die Festpredigt. Groß war die Gratulantenschar, die sich nach dem Festgottesdienst im und rund ums Gemeindehaus einfand. Fotos: Bernd-Christoph Matern/Jens Weyerhäuser/Martin Wagner

Tietz: „Gemeinsamer Einsatz für die Demokratie“
Kirchenpräsidentin spricht zur Eröffnung der Frühjahrstagung zu Bedeutung und Aufgabe von Kirche
FRANKFURT/RHEIN-LAHN. (8. Mai 2025) Die hessen-nassauische Kirchenpräsidentin Christiane Tietz hat die gesellschaftliche Rolle der Kirchen unterstrichen. Vor der in Frankfurt am Main tagenden Kirchensynode sagte sie am heutigen Donnerstag: „Wir sind als Kirche politisch, insofern wir uns nach wie vor und unermüdlich dazu äußern, wo wir die Rechte von Menschen missachtet sehen, sei es durch Taten, sei es durch Worte.“ Kirche habe es, daran sei sie „jüngst mahnend erinnert“ worden, mit den Fragen von Leben und Tod zu tun.
„Wir sind davon überzeugt, dass das Leben jedes Menschen von Gott gewollt ist und, dass - wie wir an Ostern gefeiert haben - Gott stärker ist als alle Mächte des Todes“, sagte Tietz. „Genau deshalb müssen wir darauf aufmerksam machen, wo in unseren Augen die Lebensmöglichkeiten von Menschen ungerechtfertigt beschnitten werden, und müssen uns kritisch zu allen todbringenden, lebenzerstörenden Mächten, wie Hass, Gewalt oder Unterdrückung, äußern.“ Tietz hob hervor, dass sich Kirche für den Bestand der Demokratie einsetze in Zusammenarbeit mit anderen demokratischen Kräften. Dabei sei es besonders wichtig, das Bewusstsein wachzuhalten, dass die Demokratie auf der gleichen Würde aller Menschen gründet.
Kirche hat gesellschaftliche Relevanz
Als „Lebensadern“ der Kirche bezeichnete Tietz die Liturgie, das Zeugnis, die Bildung und Seelsorge, die Diakonie und die Gemeinschaft. „Keine dieser Lebensadern darf verkalken.“ Diese Kirche habe gesellschaftliche Relevanz, „gerade in unserer Zeit“, so Tietz. Kirche sei vor Ort präsent und offen für verschiedene Frömmigkeitsformen. Sie lebe vom Engagement Haupt- und Ehrenamtlicher, sei geprägt von der Arbeit von, für und mit jungen Menschen und zeichne sich durch breites diakonisches Engagement aus.
Keine „Billige Gnade“ für Täter
Auch die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der evangelischen Kirche wurde von Christiane Tietz thematisiert. Sie warnte vor „billiger Gnade“ und zitierte damit eine Formulierung Dietrich Bonhoeffers. „Billige Gnade“, also die „Predigt der Vergebung ohne Buße“, dürfe es nicht geben, schon gar nicht bezogen auf die Missbrauchsfälle und die davon betroffenen Personen. „Wir müssen eine differenzierte Rede von Schuld und Sünde lernen“, so Tietz. „Deshalb darf aus dem Bereuen des Täters nicht die Forderung an betroffene Personen, vergeben zu müssen, abgeleitet werden.“
ekhn2030 - Vielfalt und Polyphonie
Tietz ging auch auf den aktuellen Transformationsprozess der EKHN ein, der durch Vielfalt und die „Gleichzeitigkeit des Unterschiedlichen“ geprägt sei. Dieser sei sehr komplex und wirke sich aktuell in den verschiedenen Kirchengemeinden sehr unterschiedlich aus. „Bei meinen vielen Besuchen und Gesprächen in unserer Kirche hat mich beeindruckt, an wie vielen Orten es aber doch gelingt, die Gleichzeitigkeit des Unterschiedlichen auszuhalten“, äußerte sie sich zur laufenden Arbeit im Prozess.
Das Gelingen dieser vielfältigen Arbeitsprozesse, an denen sehr viele verschiedene Menschen beteiligt sind, verglich Christiane Tietz mit der Musik. Dort sind viele Stimmen und Instrumente gleichzeitig zu hören, die mal disharmonisch, mal harmonisch einen polyphonen Klang ergeben. „Mein Wunsch ist, dass uns im Transformationsprozess eine solche musikalische, polyphone Wahrnehmung gelingt. Dann können wir die Gleichzeitigkeit des Unterschiedlichen aushalten und reiben uns nicht in falschen Alternativen auf. Dann spielt nicht jeder möglichst laut nur seine eigene Stimme“, sagte sie.
Begeistert von Menschen und Aufgaben
Zu ihren ersten Monaten im neuen Amt sagte sie: „Die Vielfalt der Arbeitsfelder, die ganz unterschiedlichen Menschen, mit denen ich im Gespräch bin, begeistern mich.“
Auf der Frühjahrssynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) gab Kirchenpräsidentin Christiane Tietz erstmals den traditionellen „Bericht zur Lage in Kirche und Gesellschaft“ ab. Sie stellte ihn unter das biblische Wort „So spricht unser Gott: ‚Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht? Ich mache einen Weg in der Wüste und Wasserströme in der Einöde.‘“ (Jesaja 41,19). Tietz ist seit Februar 2025 die Nachfolgerin von Volker Jung und die erste Frau als Kirchenpräsidentin der EKHN. (ag)
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Die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) tagt in Frankfurt. Wie schon beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover bekräftigte Kirchenpräsidentin Christiane Tietz dabei, dass Kirche auch politisch sein müsse und sich nach wie vor und unermüdlich dazu äußern müsse, wo sie Rechte von Menschen missachtet sieht, sei es durch Taten oder durch Worte. Fotos: Bernd-Christoph Matern