
Advent im Nasssauer Land – 20. Tür
RHEIN-LAHN. (20. Dezember 2020) Heute öffnet sich wieder ein Türchen am Adventskalender mit persönlichen Gedanken von Dekanin Renate Weigel:
O komm, o komm du Morgenstern!
Der 4. Advent ist in seinen Texten von der Freude geprägt. Das Wochenlied EG 19 bleibt von der Melodie her verhalten in Moll. Aber es sieht die Freude schon „durch deines klaren Lichtes Pracht“.
Es schmeckt sie schon „Freut euch, der Herr ist nah“. Und es weiß, wohin die Ankunft des Herrn am Ende führen wird: „Bis dich, wie es dein Wort verheißt, der Freien Lied ohn Ende preist.“
Bei denen, die das Lied der Freien singen, möchte ich dabei sein!
Dass das Lied der Freien nicht warten muss, zeigt mir die Weihnachtsgeschichte. Ich höre es in Maria, als sie dem Engel sagt: „Mir geschehe, wie du gesagt hast.“ Es bricht sich lauthals Bahn in ihrem Lobgesang.
Josef trägt es in sich, als er sich nicht dem beugt, was die Leute sagen, sondern dem Engel folgt.
Als die Hirten das Kind verlassen, „breiteten sie das Wort aus, … und priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten.“ – So sehen Freie aus!
Frei zu werden, Gottes Willen zu tun und ihn zu loben, auch in der Nacht, auch in der Fremde, auch im Ausgestoßensein, auch im Alter, auch im Sterben. Simeon und Hannah sind Beispiele dafür, wie das Lied der Freien von „Hochbetagten“ angestimmt werden kann.
Was uns und unserer Kirche und unseren Gemeinden und unserer Gesellschaft die Zukunft auch bringen mag, Gott möge uns schenken, dass wir das Lied der Freien zu singen vermögen. Und uns dabei gegenseitig helfen.
Dekanin Renate Weigel

Advent im Nassauer Land – Tür 4
RHEIN-LAHN. (4. Dezember 2020) Heute öffnet sich wieder ein Türchen am Adventskalender mit persönlichen Gedanken von Dekanin Renate Weigel:
Und siehe, du wirst verstummen und nicht reden können, …weil du meinen Worten nicht geglaubt hast.
Lukas 1, 20
Das ist eine verrückte Idee: Wer nicht glaubt, verstummt. Wenn das heute geschähe - würde es sehr still in unseren Kirchen?
In den Geschichten der Wüstenväter und Wüstenmütter (eine Bewegung aus dem 1./2. Jhd. n. Chr. in Ägypten) begegnet mir dieses Phänomen:
Da sind Menschen aus der Welt in die Wüste gezogen, um Christus abgeschieden und in Armut nachzufolgen. Und die Weltmenschen laufen ihnen in die Wüste nach und suchen ihren Rat.
Immer wieder werden die Einsiedler um Lebens- und Glaubenshilfe angefragt. Aber sie reden nicht immer. Wenn sie den Eindruck haben, dass ihnen selbst der Glaube und Gott verstellt sind, schicken sie die Besucher weg. „Ich habe das Wort nicht.“ Ich staune, wie sie sich in dieser Weise ernst nehmen.
Können Pfarrerinnen und Pfarrer sich das leisten? Stellen Sie sich vor, es ist
Advent und Weihnachten und „sie hat das Wort nicht“. Sie bekommt doch Gehalt!
Ich möchte als Pfarrerin Menschen, die auf mich warten, nicht hängen lassen.
Aber ich möchte auch nicht „so tun als ob“. Wie kann das gehen? Pfarrerinnen und Pfarrer und alle, die im ehrenamtlichen Verkündigungsdienst stehen, sind nicht gefeit vor Zweifeln, Unvermögen und Unlust. Manchmal ist schlicht die Batterie leer.
Abgesehen davon, dass zuzeiten eine Pause schon helfen kann, glaube ich, dass es möglich ist, den Mangel mitzunehmen in die Verkündigung. Das heißt nicht, dass die Gottesdienstgemeinde jetzt mit persönlichen Problemen belästigt wird. Ich kann kürzer sein. Zurückhaltender. Und denen eine Stimme geben, die etwa an Weihnachten eben nicht voll der Freude und Liebe sind. Ich kann mir helfen lassen von einem Bild oder einer Musik. Ich nehme mich ernst. Und vertraue mich doch Gott an.
Ich habe einmal einen Gottesdienst am 2. Weihnachtsfeiertag erlebt, bei dem wir an der Stelle der Predigt zum Schweigen eingeladen wurden. Der Pfarrer sagte: „Es ist genug geredet worden.“
Ich habe mich wohl gefühlt.
Dekanin Renate Weigel