Religionspädagogik in Nassau ist sehr gefragt

Regionalstelle von zwei Landeskirchen stellte beim Tag der offenen Tür erweiterte Räume und Angebote vor 

 NASSAU/RHEIN-LAHN/WESTERWALD. (8. April 2019) Annähernd verdoppelt haben sich die Räume der Regionalstelle des Religionspädagogischen Instituts (RPI) in Nassau. Während eines Tags der offenen Tür wurden sowohl die räumliche als auch das inhaltliche Neuangebot vorgestellt.

Für die Studienleiterin Pfarrerin Nadine Hofmann-Driesch ist das eine willkommene Aufwertung des Standorts Nassau. „Wir kommen nach wie vor in die Regionen, aber jetzt können wir hier auch in Nassau ganz unkompliziert Seminare anbieten“, führt sie durch die neuen Räume der frei gewordenen Wohnung im Erdgeschoss des Haus Talblick, einer Wohnanlage der Stiftung Scheuern. Konferieren, Erzählen und Material ausprobieren – das alles ist nun auch für Gruppen bis etwa 15 Personen möglich. „Wir haben uns nicht nur räumlich erweitert, sondern auch konzeptionell in Richtung eines Reli-Ateliers“, erzählt die Studienleiterin. Materialien können nicht mehr nur als Ausleihe angefordert werden. „Wir zeigen auch, was man alles damit machen kann“, erklärt Hofmann-Driesch die innovative Bereicherung des Angebots.

Eines von vielen Beispielen: Der Umgang mit Erzähltaschen. Die gibt es jetzt nicht nur auszuleihen; die wurden während eines Bastelseminars in Nassau auch von pädagogischen Fachkräften selbst genäht. Auf den wie Topfhandschuhe aussehenden Seiten des Stoffes sind Symbole einer biblischen Geschichte zu sehen, um Kindern davon zu erzählen. Der Unterschied zum Topflappen: die Erzähl-Taschen im RPI haben nicht nur zwei, sondern zehn Seiten, die durch entsprechende Wendungen des Stoffes zum Vorschein kommen.

Daneben bietet die Regionalstelle weiterhin eine Fülle und Vielfalt an religionspädagogischer Literatur für Kindertagesstätten, Schul- oder Konfirmandenunterricht an, den man hinter der schlichten Fassade kaum vermuten würde. Zirka 6000 Medien, vom Unterrichtsbuch über bildende Spiele bis zur großen Martin-Luther-Puppe beherbergt die Einrichtung, 1000 davon werden jährlich ausgeliehen in einem Einzugsbereich vom hohen Westerwald bis an den Rhein.

„Es ist einfach sehr praktisch und hilfreich, was es hier an Materialien für den Unterricht auszuleihen gibt“, sagt Christiane Fuhrländer, Lehrerin an der Berufsbildenden Schule Westerburg. Sie hat einen der Weltreligions-Koffer vorbestellt, der über den jüdischen Glauben informiert. „So lässt sich im Unterricht sehr anschaulich über deren Feiertage, Rituale und Symbole aufklären“, so die Pädagogin. Neben laminierten Erzählkarten befindet sich auch eine Kippa und eine Thorarolle darin. „Das kommt bei unseren Schülern sehr gut an“, ist ihre Erfahrung. Auch Christentum, Buddhismus, Hinduismus und Islam sind in solchen Koffern leicht zu transportieren, sowohl zur Schule als auch in die Köpfe der Schüler.

„Sehr angenehm finde ich, dass man sich hier in aller Ruhe umschauen und neue Anregungen für den Unterricht bekommt und mitnehmen kann“, schätzt Katharina Keller, Lehrerin einer Realschule plus ebenfalls aus Westerburg, das Nassauer Angebot. Und damit sich die Fahrt in den Westerwald lohnt und weil es nicht anderweitig zur Ausleihe ansteht, packen die Beiden auch noch das Materialmodul „Musik im Religionsunterricht“ sowie ein großes Modell der Arche Noah ein, um ihren Unterricht interessanter gestalten zu können. 

Während die Angebote der Nassauer RPI-Regionalstelle unter Lehrkräften relativ bekannt scheinen, sind Ausleihen für bildende Einrichtungen wie Kindertagestätten eher in der Minderheit. Aber auch sie werden dort fündig ebenso wie Pfarrpersonal für den Konfirmanden-Unterricht, denn das religionspädagogische Angebot an Literatur, Lehr- und Lernelementen reicht vom Kleinkindalter bis zur Erwachsenenbildung. „Bei uns sind wirklich alle Personen willkommen, die sich für Religionspädagogik interessieren“, so Hofmann-Driesch. Bernd-Christoph Matern

Infos zur RPI-Regionalstelle Nassau im Internet unter www.rpi-nassau.de oder telefonisch unter 02604-5404.

 

Offene Türen und Workshops

Zur Eröffnung der neuen Räumlichkeiten in der Bezirksstraße 19 werden am 11. April ab 10 Uhr nicht nur die Türen geöffnet sein, um sich über das breite Angebot der RPI-Regionalstelle zu informieren. Es gibt auch ein interessantes bildungsreiches Rahmenprogramm. Um 14.30 Uhr öffnet ein Workshop mit Dr. Peter Kristen unter dem Titel „Fotogen! Fotos im Religionsunterricht“. Der Referent gibt an Beispielen einen Einblick in die künstlerischen Grundlagen der Fotografie und zeigt anhand der biblischen Sprachbilder von Gott, wie Fotos den Religionsunterricht bereichern können.

Ab 18 Uhr gibt es eine kleine Feierstunde zur Eröffnung, der um 19 Uhr eine unterhaltsame Lesung unter der Überschrift „Felix zieht in den Krieg“ steht. Michael Landgraf nimmt in der Erzählung mit auf eine Reise in die Welt der Menschen vor 100 Jahren. Mit der Lesung werden Bilder, Feldpostkarten und Gegenstände präsentiert und erläutert, die bildhaft den damaligen Zeitgeist vor Augen führen. (cm)

Zu den Fotos:
Pfarrerin Nadine Hofmann-Driesch, Studienleiterin des RPI in den Evangelischen Kirchen in Hessen und Nassau und von Kurhessen-Waldeck, in einem der neuen Räume. Mehr als 6000 Medien stehen in der Regionalstelle Nassau zur Ausleihe bereit. Fotos: Matern

Renate Köpper führt aus regnerischem Lahntal ins Licht der Provence

Förderverein zur Renovierung der Kaiser-Wilhelm-Kirche Bad Ems hatte zum Vortrag eingeladen

provence2011 kathamaBAD EMS/RHEIN-LAHN. (5. Okober 2022) Trotz des Herbstwetters mit regnerischen Abschnitten fanden 40 Personen am 26. September den Weg ins evangelische Gemeindehaus an der Martinskirche in Bad Ems. Zu einem Vortrag von Renate Köpper über den „Zauber der Provence“ hatte der Förderverein zur Renovierung der Kaiser-Wilhelm-Kirche eingeladen. Dessen Vorsitzender, Karl-Werner Köpper, begrüßte herzlich und informierte über die weiteren Vorhaben des Vereins bis zum nächsten Frühjahr: In diesem Jahr wird aufgrund der unsicheren Pandemielage keine weitere Veranstaltung mehr stattfinden. Geplant sind aber wieder eine Plätzchen-Backaktion und die Gestaltung von Adventskränzen auf Bestellung. Dazu erfolgen rechtzeitig nähere Hinweise. Ein Vogelstimmenkonzert auf der Eule-Orgel in der Martinskirche, gespielt von Dekanatskantor Martin Samrock, und ein Vortrag von Pfarrer Stefan Fischbach über die St. Kastorkirche in Dausenau mit zu einem späteren Zeitpunkt folgender Besichtigung werden den Auftakt im Jahr 2023 bilden.

Renate Köpper, Schwester des Vorsitzenden, entführte die Besucherinnen und Besucher mit ihrem Foto-Vortrag in die reizvolle Provence. Sie ist eine Liebhaberin dieser Region und hat sie mehrmals besucht. Die gezeigten Bilder stammten von Isolde Nowak. Die Provence im Südosten Frankreichs grenzt an Italien und das Mittelmeer. Bekannt ist die Gegend vor allem für ihre abwechslungsreichen Landschaften, die von den südlichen Alpen und der flachen Camargue bis hin zu hügeligen Weinbergen, Olivenhainen, Pinienwäldern und Lavendelfeldern reicht. Den Süden der Provence bildet die Côte d'Azur (oder französische Riviera) mit dem eleganten Nizza und glanzvollen Urlaubsorten wie Saint-Tropez oder Cannes.

Der Foto-Streifzug zeigte nicht nur Landschaft, sondern auch viel Geschichte, beginnend mit der wohlbekannten Brücke von Avignon und dem Papstpalast, der von 1335 bis 1430 die Residenz verschiedener Päpste gewesen ist. Der Pont du Gard zwischen Avignon und Uzés auf der Höhe des Ortes Bégude de Vers-Pont-du-Gard stammt aus römischer Zeit und ist der höchste Aquädukt weltweit; 1985 wurde die hervorragend erhaltene Brücke zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.

Der „Steinbruch der Lichter“ (Carrières des Lumières) in der Nähe des mittelalterlichen Dorfes Les-Baux-de-Provence ist eine multimediale Kunstausstellung, die auf massive Kalksteinmauern eines ehemaligen Steinbruchs projiziert wird. Begleitet von Musik zeigt eine 40-minütige Lichtshow mit jährlich wechselnden Themen, 2019 zum Beispiel war es van Gogh.

Les-Saintes-Maries-de-la-Mer liegt mitten im Herzen der Camargue und ist wegen ihrer historischen Sehenswürdigkeiten und der alljährlichen Wallfahrt bekannt. Das älteste Gebäude ist die Wehrkirche. Der Legende nach ist die Heilige Sara auf der Flucht aus Israel mit einem Schiff in Südfrankreich gelandet. Seit Jahrhunderten pilgern an Pfingsten Tausende dorthin, um die „schwarze Jungfrau“ zu feiern. Die Gardians (Reiter) mit den breitkrempigen Hüten wirken wie Cowboys, wenn sie der Heiligen Sara den Weg zum Meer bahnen.

Von Saint-Rémy-de-Provence, einer südfranzösischen Kleinstadt im Département Bouches-du-Rhône in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur führte die Reise weiter nach Noves, wo Stierkämpfe dargeboten werden, allerdings anders als in Spanien. Anfang des 18. Jahrhunderts traten junge Landarbeiter gegen die Stiere an, aber nicht, um sie zu töten. Den Stieren wurden vielmehr Kokarden (Stofftrophäen) an die Hörner gebunden, und die mutigen jungen Kämpfer (Razeteure) versuchten dann, sie den Tieren wieder zu entreißen. Aus dieser sogenannten „Course libre“ entstand dann Ende des 19. Jahrhunderts die heutige „Course Camarguaise“.

An der Südflanke der Hügelkette Monts de Vaucluse ist der Ort Gordes auf einem Felsvorsprung aufgepfropft und thront über dem Tal des Flusses Coulon gegenüber dem als Naturpark ausgewiesenen Luberon-Gebirge.

L‘Isle-sur-la-Sorgue im Département Vaucluse, das „Venedig des Comtat“, ist von Kanälen umgeben und ein Ort, der im Rhythmus des Flusses lebt. Floh- und Antikmarktfreunde sind hier an der richtigen Stelle. Den Schlusspunkt markierte das Cafè de la Nuit in Arles, bekannt durch das Gemälde von van Gogh.

Die Fotos vermittelten beeindruckende Impressionen der Provence und machten Lust, den Koffer zu packen und diese herrliche Gegend selbst zu erkunden. Die Besucherinnen und Besucher dankten Renate Köpper mit einem herzlichen Applaus für ihren Vortrag. Ein Umtrunk mit französischem Wein, Käse und Käsegebäck bot die Möglichkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen und den Abend fröhlich ausklingen zu lassen. Hartmut Bargmann

1 DSC 2046 EKHN Synode by EKHN VR

Junge Menschen in Blick nehmen und Flüchtlingsdebatte versachlichen

Kirchensynode fällt wichtige Entscheidungen: Jugend checkt Beschlüsse, keine Personen-Obergrenze für Vorstände

 FRANKFURT/RHEIN-LAHN. (6. Dezember 2024) Eine prall gefüllte Tagesordnung prägte die Herbsttagung der Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Eigene Beiträge zum Klimaschutz wurden beraten, die Flüchtlingssituation und Maßnahmen zur Prävention sexualisierter Gewalt. Und auch die Interessen der Jugend wurden während der Tagung gestärkt.

1 DSC 2494 EKHN Synode Jugendcheck by EKHN VR„Positiv finde ich beispielsweise, dass für die nächste Kirchenvorstandswahl im Juni 2027 auch Jugendliche wahlberechtigt sind, die erst am 1. September das 14. Lebensjahr vollenden“, sagte Nicole Wiehler, Synodale des evangelischen Dekanats Nassauer Land, nach der viertägigen Tagung. Das bedeute, dass der dann aktuelle Konfi-Jahrgang im Frühjahr bereits für die Wahl sensibilisiert werden kann. Wichtig hält sie auch eine Änderung bei der Zahl der zu wählenden Kirchenvorstandsmitglieder, die sich an der Mitgliederzahl der Evangelischen orientiert. „Es gibt nur noch ein Minimum an Personen, die ihm angehören müssen, aber keine Obergrenze mehr.“

Im Sinne der Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen wurde ein so genannter Jugendcheck beschlossen. Vertreterinnen und Vertreter der Evangelischen Jugend in Hessen und Nassau sollen beratend in den Entstehungsprozess von Verordnungen und Kirchengesetzen eingebunden werden und so eine wirkungsorientierte Gesetzesfolgenabschätzung aus Sicht der Jugend einbringen. Er soll nach einem Jahr evaluiert werden, um zu sehen, ob es etwas bringt, so Wiehler.

Kirchensynode und Kirchenleitung hatten außerdem einmütig eine Resolution verabschiedet, die fordert, die Debatte über Migration und Geflüchtete zu versachlichen. „In der aktuellen Debatte werden vielfach Fakten verdreht, wird pauschalisiert, wird bewusst Stimmung gegen Geflüchtete gemacht und werden mittlerweile Menschenrechte und rechtsstaatliche Prinzipien offen infrage gestellt“, heißt es darin. Hier finden Sie den Text im Wortlaut. Die Resolution wurde auch an die hessische und die rheinland-pfälzische Landesregierung gegeben.

1 DSC 2181 EKHN Synode by EKHN VR„Pauschale Abschiebungen sind in der Realität oft keine Lösung, und Menschen, die Flüchtlingen helfen, sind nicht automatisch kriminelle Schlepper. Migration ist ein Bestandteil unserer christlich-jüdischen Tradition. Unsere Gesellschaft braucht Migration, um sich weiterzuentwickeln und zu bestehen. Ich freue mich über die Klarheit, mit der Synode und Kirchenleitung dies zum Ausdruck bringen“, kommentierte Birgit Pfeiffer, Präses der Kirchensynode der EKHN.

Daran anknüpfend entschied die Synode, den 2014 eingerichteten Flüchtlingsfonds der EKHN mit weiteren 3,39 Millionen Euro aufzustocken und seine Laufzeit bis 2030 zu verlängern. Diesen Fonds hat die EKHN in den vergangenen zehn Jahren mit insgesamt 23,9 Millionen Euro ausgestattet, um eine unabhängige Asylberatung im Gebiet der EKHN sowie Willkommens-Projekte in Dekanaten und Gemeinden und Flüchtlingsarbeit in Kindertagesstätten zu finanzieren. Die Aufstockung soll u.a. die Fortsetzung der unabhängigen Asylberatung ab 2028 ermöglichen.

Sensibilisierung für sexualisierte Gewalt im Fokus

Matthias Schwarz, Betroffenenvertreter im Beteiligungsforum der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) und der Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt der EKHN, berichtete der Kirchensynode der EKHN von den Entscheidungen, die die EKD-Synode Anfang November getroffen hat: „Zum einen wurde das Disziplinarrecht geändert, sodass Betroffene in einem Disziplinarverfahren besser informiert, geschützt und begleitet werden. Außerdem wurde ein Maßnahmenplan beschlossen, der die Erkenntnisse der ForuM-Studie umsetzt. Dazu gehört, dass ein Recht auf Aufarbeitung festgeschrieben werden soll, und dass Standards für Prävention, Intervention, Dokumentation und Meldestellen EKD-weit festgelegt werden sollen.“

Aus dem anschließenden Bericht der Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt der EKHN ging hervor, dass die Kirche im laufenden Jahr viele Veranstaltungen in Gemeinden und Einrichtungen durchgeführt hat, die wesentlich zur Sensibilisierung beitragen. Dieser Weg soll im kommenden Jahr mit Schulungen in jedem Dekanat, einem Online-Format zu Interventionsfragen und einer Basisschulung fortgesetzt werden. Außerdem werden die EKHN, die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck und die Diakonie Hessen ab dem Frühjahr in einer gemeinsamen Aufarbeitungskommission die Arbeit der ForuM-Studie fortsetzen. Fälle sexualisierter Gewalt sollen quantitativ erhoben, vorherrschende Risiko-Strukturen qualitativ analysiert, der Umgang mit Betroffenen untersucht sowie die institutionelle Aufarbeitungspraxis evaluiert werden.

Transformation der Landeskirche

Bereits seit einigen Jahren befindet sich die EKHN in einem Transformationsprozess, um sich an veränderte Bedürfnisse der Mitglieder, zurückgehende Mitgliederzahlen und Kirchensteuermittel anzupassen. Ein Bericht  zur Weiterarbeit an diesem Prozess unter dem Namen ekhn2030 beschreibt Fortschritte, Herausforderungen und Pläne im Transformationsprozess der EKHN.

Schwerpunkte des Prozesses unter dem Namen ekhn2030 sind Strukturreform der Verwaltung, Digitalisierung, Klimaschutz, Zusammenarbeit in Nachbarschaftsräumen, Personalgewinnung, die Etablierung von hauptamtlichen Verkündigungsteams. Bis 2030 sollen damit 140 Millionen Euro eingespart werden aber auch Mittel für Innovationen festgelegt werden.

Nicole Wiehler betonte in diesem Zusammenhang, dass die im Gesetz verankerten Verkündigungsteams zwar nur die hauptamtlich Beschäftigten betreffen; „aber natürlich sind zur Verkündigung in unserer Region die vielen ehrenamtlich agierenden Menschen nicht wegzudenken“, so die Pfarrerin aus Gemmerich.

Zu den Fotos:
Umfassend war die Tagesordnung der Kirchensynode zu deren Herbsttagung. Unter anderem ging es um eine Versachlichung in der Flüchtlingsdebatte. Außerdem wurde versucht, die Interessen Jugendlicher und junger Menschen in den Fokus zu rücken bei der Verabschiedung von Verordnungen und Kirchengesetzen. Fotos: Volker Rahn

EKHNFundus Notfallseelsorge Lagebesprechung Nurburgring 2021 JohannesHoffmann 

Rettungskräfte können Erste Hilfe für die Seele nutzen

Einsatz im Ahrtal: Notfallseelsorge Rhein-Lahn/Westerwald und Psychologen bieten professionelle Nachsorge-Gespräche

AHR/RHEIN-LAHN. (29. Juli 2021) Die Rettungskräfte von Technischem Hilfswerk, Feuerwehr oder dem Deutschen Roten Kreuz im Ahrtal sind Bildern und Erlebnissen ausgesetzt, die die Seele stark belasten. Zurückkehrende Helferinnen und Helfer werden deshalb auch von der Notfallseelsorge Rhein-Lahn/Westerwald betreut. Zusammen mit Psychotherapeuten der Fachklinik in Katzenelnbogen hat sie jetzt konkret für Kräfte des Kreisfeuerwehrverbandes Rhein-Lahn, die aus dem Krisengebiet kommen, die Nachsorge gestartet.

Featurefotos NFS bongard

Pfarrerin Ulrike Braun-Steinebach, Leiterin der Notfallseelsorge Rhein-Lahn/Westerwald, kennt die psychologische Belastung von Rettungskräften seit mehr als 20 Jahren, ob sie schwer verletzte oder sterbende Menschen aus einem Autowrack frei schneiden müssen oder Personen in einem brennenden Haus ums Leben kommen und nur noch als Leichen geborgen werden. Und trotzdem tut auch sie sich schwer, in Worte zu fassen, was sie aus dem Krisengebiet von dort arbeitenden Seelsorgerinnen und Seelsorgern an surreal wirkenden Vorfällen berichtet bekommt. Da ist etwa ein junges Mädchen, das mit ansehen muss, wie ihre ältere Schwester in den Fluten ertrinkt. „Aber ich habe ja noch die Puppe, also ist alles gut“, habe ihr ein Kollege der Notfallseelsorge der rheinischen Landeskirche von dem Geschehnis berichtet. Aber natürlich sei überhaupt nichts gut. „Nur irgendwann macht die Psyche dicht, um das Erlebte ertragen zu können“, so Braun-Steinebach. Auch die Seele von Rettungskräften, die mit solchen Situationen konfrontiert werden, seien derzeit überfordert.

„Damit das irgendwie verarbeitet werden kann, ist reden wichtig“, so die erfahrene Seelsorgerin, für die aber auch die Schilderungen von der Flut-Katastrophe eine neue Herausforderung darstellen. Und dafür sei eben das Reden mit professionellen Kräften wie denen der Fachklinik in Katzenelnbogen notwendig. „Im Gegensatz zu Familienangehörigen oder guten Freunden kann der psychologische Experte einordnen, was hinter dem Reden steckt“, so Braun-Steinebach. Die teilweise grausamen Bilder aus dem Krisengebiet, aber auch die Angst ums eigene Überleben oder um das Schicksal von Kameradinnen und Kameraden, seien für die Psyche und den Körper stark belastend. Nicht schlafen zu können, sei da völlig normal, aber nach der Heimkehr eine enorme Belastung für den Alltag und das Familienleben. „Irgendwann ist die Psyche auch wieder stark genug, das Erlebte zu verarbeiten“, so Braun-Steinebach. Aber dafür brauche es des professionellen Beistands und der ersten Hilfe für die Seele. Aus gutem Grund gehöre die Notfallseelsorge zur Rettungskette hinzu.

„Jeder geht anders mit belastenden Ereignissen um, ohne dass das gleich zu einer Traumatisierung führen muss“, weiß Magdalena Rodowsky, Leiterin der psychiatrischen Tagesklinik in der Fachklinik in Katzenelnbogen. Deshalb sei das Gespräch über den Einsatz nach der Rückkehr aus dem Krisengebiet so wichtig. Denn dabei müsse niemand seine Seele von innen nach außen kehren, sondern es werde unter anderem darüber informiert, welche Symptome auftreten können. Durchschlafstörungen, eine höhere Schreckhaftigkeit, Grübeln und innere Nervosität nennt die Psychotherapeutin Beispiele, auch Magen-Darm-Beschwerden könnten auftreten. „Bis zu einem gewissen Grad ist das vollkommen normal“, so Rodowsky. Schwierig werde es, wenn sich das über Wochen hinzieht; auch Familienangehörige bekämen häufig den gereizten Zustand zu spüren. „Entscheidend für uns ist es, die inneren Ressourcen, die Resilienz zu stärken und zu erklären, was man selbst dazu tun kann.“ Ein solcher Einsatz sei mit den üblichen Hilfeleistungen bei Bränden oder Verkehrsunfällen nicht zu vergleichen, für den die Kräfte ausgebildet worden seien. Die Flutkatastrophe sei eine Ausnahmesituation, zu deren Unberechenbarkeit nicht zuletzt die eigene Gefährdung hinzukomme.

Von Seiten des Kreisfeuerwehrverbandes Rhein-Lahn in Zusammenarbeit mit der Fachklinik in Katzenelnbogen und der Notfallseelsorge gab es bereits ein erstes Gesprächsangebot, welches schon von einigen Einsatzkräften angenommen wurde. Sicher würden noch viele weitere folgen. Alle Beteiligten hätten dies als sehr wohltuend empfunden, von den Profis zugehört zu bekommen, so ein Vertreter des Verbandes. Ihr größter Wunsch: „Niemand sollte Scheu haben, diese professionelle Hilfe auch in Anspruch zu nehmen.“ Denn: auch die Seele von Helfenden ist nur begrenzt belastbar.

Seelsorge ist dauerhaft ansprechbar

Zur psychologischen Betreuung und Nachsorge von Rettungskräften, die etwa mit der Schnelleinsatzgruppe (SEG) Rhein-Lahn vor Ort im Krisengebiet eingesetzt sind, ist auch die Notfallseelsorge (NFS) Rhein-Lahn/Westerwald im Einsatz. Während im direkten Krisengebiet vor Ort die Notfallseelsorge der Evangelischen Kirche im Rheinland und des Bistums Trier die Menschen begleitet, erwarten die Seelsorger und Seelsorgerinnen in Westerwald und Taunus vor allem die zurückkehrenden Einsatzkräfte. „Ich gehe davon aus, dass uns diese Katastrophe noch viele Monate, manche noch Jahre beschäftigen wird“, sagt die Leiterin der NFS Ulrike Braun-Steinebach. „Viele Kräfte können solch einen Einsatz wuppen, aber was diese Bilder, denen sie ausgesetzt sind, im Innern auslösen, kommt erst mit der Zeit zum Vorschein.“ Umso wichtiger seien viele Einzelgespräche mit den Helferinnen und Helfern. Bernd-Christoph Matern

Hier finden Sie aktuelle Informationen auch zu Hilfsmöglichkeiten im Katastrophengebiet.

Zu den Fotos:
Auch für die Notfallseelsorge der evangelischen und der katholischen Kirche stellt die Flutkatastrophe im Ahrtal eine neue Herausforderung dar. Vor Ort (das Foto oben zeigt eine Lagebesprechung auf dem Nürburgring) sowie nach der Rückkehr aus der Krisenregion wird die „Erste Hilfe für die Seele gebraucht. Fotos: EKHN/Fundus Johannes Hoffmann/Peter Bongard

Notfallseelsorge becrima

Rettungskräfte können Belastendes vor Gott bringen

Gottesdienst der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Notfallseelsorge in Neuhäusel

 RHEIN-LAHN/WESTERWALD. (13. Februar 2023) Zu einem ökumenischen Gottesdienst der Notfallseelsorge (NFS) sind die Einsatzkräfte der Polizei, Feuerwehren, Rettungsdienste, Hilfswerke sowie alle Interessierten eingeladen. „Wir freuen uns, nach den pandemischen Zeiten unseren jährlichen Gottesdienst wieder ohne Einschränkungen zusammen feiern zu können“, sagt die Pfarrerin für Notfallseelsorge im Westerwald und Rhein-Lahn-Kreis Ulrike Braun-Steinebach. Der Gottesdienst wird am Mittwoch, 1. März um 18.30 Uhr in der evangelischen Kirche in Neuhäusel stattfinden.

Im Gottesdienst bringen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Notfallseelsorge aus den beiden Landkreisen die Belastungen, die ihnen in den Einsätzen begegnen, symbolisch vor Gott. Die Notfallseelsorgenden werden zu Verkehrsunfällen, Suiziden und anderen plötzlichen Ereignissen, die großes Leid verursachen, gerufen. Familien, aber auch Augenzeugen und die Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr, erleiden mitunter massive Traumata. Das seit mehr als 20 Jahren in der Region aktive Team der Notfallseelsorge hilft genau da, wo es besonders weh tut: In der ersten Phase des Schocks und der Verzweiflung, in der Tränen ausgehalten und ein Ventil für die Trauer geboten werden. „Wir möchten danken für alles, was in unseren Einsätzen gelingt und möchten Fürbitte halten für unser gemeinsames Wirken im Einsatz“, sagt Pfarrerin Braun-Steinebach. (shg)

Foto: EKHN/Matern