Das war 2022
Im Dekanat wird über den Kirchturm gedacht und Christsein gelebt
RHEIN-LAHN. (30. Dezember 2022) Wieder geht ein Jahr zu Ende. Neben den von Medien ausgewählten Themen und Schlagzeilen sind es vor allem die persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen, die ein Jahr prägen. Manche Tränen wurden geweint, manches Glück geteilt. „In Gottes treue Hände leg ich nun Freud und Schmerz“ dichtete Eleonore von Reuss im 19. Jahrhundert. Hier ein kleiner Rückblick auf einige Ereignisse, die das Dekanat Nassauer Land geprägt haben.
Corona verunsichert – Krieg zeigt seine Schrecken
Einmal mehr verunsichert die Corona-Pandemie den Start ins Jahr 2022. Kirchengemeinden laden zu Impfungen ein. Digitale Angebote ergänzen die analogen. Auch neue Formen für das Abendmahl werden gesucht. Noch scheint ungewiss, ob die Gottesdienste zu Ostern wieder wie vor Corona stattfinden können; sie können es. Die Impfungen wirken, die Zahl der Todesfälle im Rhein-Lahn-Kreis geht deutlich zurück. Im Laufe des Jahres verliert das Virus seinen Schrecken. Dafür bestimmt ein Schrecken ganz anderen Ausmaßes die Welt und fordert auch im Dekanat zu beherztem Handeln. Der irrsinnige und menschenverachtende Angriff Russlands auf die Ukraine am 14. Februar sorgt für entsetzliche Zerstörung und Leid mitten in Europa. Menschen aus den Kriegsgebieten fliehen zu Millionen. Es bleibt nicht nur beim Glockengeläut, um zum Friedensgebet einzuladen. Einmal mehr sind es die Kirchengemeinden, die in Kooperation mit anderen ehrenamtlich Engagierten versuchen, das Leid der Flüchtlinge zu mildern. Konkrete Hilfe und Austausch wird in den Gemeindehäusern angeboten, um Frauen und Kindern aus der Ukraine in der Fremde etwas Halt zu geben, ihren Austausch zu fördern und ihnen den Alltag zu erleichtern.
Mahnen und Beten für den Frieden
Vor diesem Hintergrund erhalten die gewohnten meist ökumenischen Gedenkveranstaltungen im Dekanat wie die zur Erinnerung an den Holocaust, zur Pogromnacht am 9. November oder zum Volkstrauertag eine Aktualität und Nähe, die sich keiner gewünscht hätte. Aus den Mahnwachen gegen Gewalt und Hetze in Bad Ems etwa werden nicht nur dort wöchentliche Mahnwachen für den Frieden.
Viele kleine Schritte für Klimaschutz
Die Folgen des Krieges in der Ukraine – Energiemangel und hohe Inflation – bestärken die Angst, vom gewohnten Wohlstand einzubüßen. Klimaschutz scheint da nicht die nahe liegende Sorge und Lösung, wenn Kälte in Schulen, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Wohnungen droht. Wie eins das andere beeinflusst, miteinander zusammenhängt und der Klimawandel noch zu weitaus größeren Kriegen und Einbußen führen kann, dafür gibt es im Dekanat während der Fastenaktion „7 Wochen...“ Anschauungsmaterial und Gelegenheit zum Austausch. Noch vor Angriff Russlands auf die Ukraine informiert Matthias Metzmacher zum Energiesparen. Im September strampeln beim Stadtradeln abermals Menschen aus Kirchengemeinden mit, um Kohlendioxid einzusparen; das Kercheteam von der Aar ist ganz vorn dabei. Auch Jugendlichen ist bewusst, behutsam mit den Ressourcen umzugehen und überreichen eine Klima-Kollekte; eingesparte Kilometer in der Jugendarbeit kommen Aufforstungen im afrikanischen Partnerdistrikt Mabira zugute. Und schließlich sorgen die hohen Energiepreise aufgrund der Gasknappheit dazu, dass viele umweltbewusste Kirchengemeinden ihren Energieverbrauch erstmals genauer unter die Lupe nehmen und nach konkretem Sparpotenzial Ausschau halten; so können Gemeindekasse und Schöpfung gleichzeitig geschont werden.
Mangelndes Pfarrpersonal schafft Nachbarschaften
Im Januar trifft sich in Hahnstätten die Dekanatssynode zu ihrer konstituierenden Sitzung. Auf diese – nach Gründung des Evangelischen Dekanats Nassauer Land im Jahr 2016 – II. Synode und deren ehrenamtlichen Vorstand kommt weiterhin viel Arbeit zu. Unter anderem baut sie im intensiven Austausch mit allen Kirchenvorständen an der Bildung neuer Nachbarschaftsräume. In diesen sollen sich Verkündigungsteams Seelsorge und andere Aufgaben für die Menschen in der Region teilen. Ein neues Verkündigungsdienstgesetz, das dafür die Rahmenbedingungen schafft, verabschiedet die Landessynode in ihrer Herbsttagung im November.
Beispiele für eine Zusammenarbeit, die über den eigenen Kirchturm denkt, gibt es eine ganze Reihe im Dekanat wie Evangelisch in der Esterau , die Gesamtkirchengemeinde Loreley oder gemeinsame Gemeindebüros in Diez und an der Aar. Zwei Beispiele aus dem Jahr 2022: in Heistenbach nutzen seit diesem Sommer Ortsbürgermeister und Kirchengemeinde das evangelische Gemeindehaus gemeinsam. Schon im Januar vereinigen sich in Nassau die Kirchengemeinden der Stiftung Scheuern mit der in Nassau.
Kirchenaustritte erschweren gesellschaftsrelevante Angebote
Die jährliche Veröffentlichung der Mitgliederzahlen zeigt auch im Dekanat eine Fortsetzung des Abwärtstrends. Darunter leiden nicht nur Verkündigung und Seelsorge, sondern auch kirchliche Angebote, die eigentlich der Staat übernehmen müsste. Dazu zählen die ohnehin am Limit arbeitenden Tafeln ebenso wie Kindertagesstätten, Pflegeeinrichtungen, gemeinschaftsbildende Angebote für Jung bis Alt, bildende Programme für Kinder und Jugendliche, von Trost und Hilfe in persönlichen Krisen ganz zu schweigen. Kirchenaustritte scheinen zumindest in Städten zwar in Mode zu kommen, was sie aber konkret bedeuten, wird dabei selten erklärt. Wofür wird die Kirchensteuer eigentlich ausgegeben?
In all diesen Bereichen wird die Hauptlast von ehrenamtlichen Schultern getragen. Auch für sie wird es zunehmend schwieriger, sich ohne professionelle Unterstützung und Räume zu engagieren. Doch im Rhein-Lahn-Kreis, wo fast Dreiviertel aller Bürgerinnen und Bürger einer der beiden christlichen Kirchen angehören, ist das Engagement auch im Jahr 2022 weiterhin groß. Mit viel Herzblut wird dort in Gremien beraten und für die Gemeinschaft in den Orten kräftig und vielseitig angepackt. Ohne Ehrenamt geht dort nichts.
Christliche Lebensfreude aus Afrika
Jammern verbessert bekanntlich weder im Privaten noch in Institutionen die Situation; das gilt sicher auch für die Akzeptanz von Kirche, die ja ein froh machendes Evangelium vertritt. Ein Stück Lebensfreude, wie sie nur christliches Vertrauen ausstrahlen kann, erfährt das Dekanat in seiner Partnerschaft mit Mabira in Tansania. Im September besucht eine Delegation drei Wochen den Rhein-Lahn-Kreis und wird herzlich empfangen. Neben konstruktiven Gesprächen über aktuelle und zukünftige Projekte sowie einer Reihe von Besichtigungen erinnern die vier Frauen und zwei Männer aus Afrika ihre Gastgeber mit Worten, Gebeten und fröhlichem Gesang und Tanz, dass Christen nicht an irgendeine, sondern eine froh machende Botschaft glauben. Drei ebenso konstruktive wie bewegende Wochen.
Vielseitige Angebote für alle Generationen
Zu erleben ist das im Jahr 2022 nach schmerzlicher Corona-Abstinenz endlich wieder bei den verschiedenen Dekanatsveranstaltungen, insbesondere dem Frauentag in Miehlen sowie dem Konfitag, dem Weltgebetstag, einer Schreibwerkstatt im Luthergarten und einem großen Tauffest, das erstmals in Diez gefeiert wird. Dass Fußball auch ohne Skandale Spaß machen kann, zeigt die Frauen-EM ebenso wie der diesjährige Konfi-Cup in Hahnstätten. Pilgern bleibt mit und ohne Corona beliebt, sei es ein städtisches Winterpilgern oder über den klassischen Lahn- und Rhein-Camino; eine lebendige Exkursion führt zur Kunst Chagalls. Und die Kirchenmusik beschert allerorten wieder tolle Momente sei es mit Orgelandachten oder Einsätzen der Kantoren. Damit das so bleibt, trommeln die drei evangelischen und der katholische Kantor für eine Orgelausbildung unter dem Motto „Jetzt zieh ich alle Register“. Zwei Jubiläen stehen stellvertretend für das nach wie vor große Engagement in den heimischen Chören: In Nastätten feiert der Posaunenchor, in Miehlen der Kirchenchor sein 100-jähriges Bestehen.
Abschied und Neubeginn
Im Rhein-Lahn-Kreis gibt es 2022 wieder theologische Verstärkung. Ohne Vakanz übernehmen Kerstin und Benjamin Graf im Januar die Kirchengemeinde Oberlahnstein. Oliver Sigle wird im September in Eppenrod herzlich als neuer Gemeindepfarrer in der Esterau willkommen geheißen; der 47-jährige Theologe tritt die Nachfolge seiner langjährigen Vorgängerin Irene Vongehr an. In der Stiftung Scheuern gibt es seit November mit Matthias Schmidt wieder einen zweiten Pfarrer. Im gemeindepädagogischen Dienst starten Janina Weiss und Saskia Klump. Eine wichtige personelle Veränderung prägt das Frühjahr. Mit einem Festgottesdienst in der katholischen St. Martinskirche in Bad Ems wird Dekanin Renate Weigel in den Ruhestand verabschiedet. Dank und Anerkennung stehen am Ende ihres 35-jährigen aktiven Dienstes als Pfarrerin, den sie nach sechsjähriger Amtszeit als erste Dekanin des Dekanats Nassauer Land beendet. Mit einem Tanz übergibt sie das Amt symbolträchtig an ihre Nachfolgerin Kerstin Janott. Diese wird am 1. Mai in Nassau mit einem Festgottesdienst in ihr Amt eingeführt. Während Propst Dr. Klaus-Volker Schütz diesen Amtswechsel noch selbst vornimmt, steht im September in einem Festgottesdienst in Oppenheim sein eigener Ruhestand an und Henriette Crüwell übernimmt die Nachfolge. Im Dekanat Nassauer Land begleitet sie erstmals als Pröpstin eine Dekanatssynode.
75 Jahre EKHN: Lernstoff für die Zukunft
Vor 75 Jahren wurde die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau gegründet. Daran erinnert die Kirche nicht nur im Jahr 2022. Eine Wanderausstellung zeigt mit unterschiedlichen Tafeln, welche Entwicklung die Kirche selbst genommen hat und welche sie in Gang gesetzt hat; nicht zuletzt etwa die völlige rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau in kirchlichen Ämtern. So lange ist das übrigens noch gar nicht her; gerade mal gut 50 Jahre. Es ist nicht das einzige Thema in der Ausstellung, das alles andere als historisch anmutet. Die „Akzeptanz von Kirche in der Gesellschaft“, Friedensethik, Entwicklungshilfe und Gebäudebedarf – die Schau bietet Wissenswertes, um aus der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen. Deshalb kann sie auch im kommenden Jahr noch ausgeliehen werden.
Mit Zuversicht in 365 frische ungebrauchte Tage
Die meist polarisierende mediale Dauerhysterie macht es im Alltag schwierig, Ruhe zum Erinnern zu finden, um Dingen auf den Grund zu gehen. „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ So lautete die Jahreslosung 2022. Im Jahr 2023 dürfen Christen auf ein Wort aus den Anfangsseiten der Bibel als Jahreslosung vertrauen: „Du bist ein Gott, der mich sieht“ (1. Mose 16, Vers 13).
Christen wissen sich in Freud und Leid von ihrem Glauben getragen, ganz gleich, was die laute Welt an Weh und Ach für sie bereit hält – sie können mit Hoffnung und voller Vertrauen in die Zukunft schauen. 365 frische ungebrauchte Tage liegen vor uns. Christen dürfen sie zuversichtlich angehen, so wie es Jochen Klepper 1938 (Evangelisches Gesangbuch 64) formulierte: „Der du allein der Ewge heißt und Anfang, Ziel und Mitte weißt im Fluge unsrer Zeiten: bleib du uns gnädig zugewandt und führe uns an deiner Hand, damit wir sicher schreiten“.
In diesem Sinne wünscht Ihnen die evangelische Öffentlichkeitsarbeit Rhein-Lahn ein gesegnetes Jahr 2023 mit vielen Momenten, in denen wir uns gesehen fühlen.
Bernd-Christoph Matern
