75Jahre Ausstellungstafeln becrima

75 Jahre EKHN in der Stiftskirche – Lehren aus Nationalismus gezogen

Evangelische Kirchengemeinden bieten im Begleitprogramm Austausch zum Blick nach vorn

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RHEIN-LAHN. (27. Januar 2023) Die Ausstellung „75 Jahre EKHN“ kann von Samstag, 4. bis Mittwoch, 15. Februar in der evangelischen Stiftskirche in Diez zwischen 10 und 17 Uhr besichtigt werden. Zwölf große Ausstellungsposter geben ausgewählte Einblicke in die Geschichte der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), die am 30. September 1947 gegründet wurde. Demokratische Strukturen waren bei der Gründung eine wichtige Grundlage. Die neu gegründete Kirche zog damit die Lehren aus der nationalsozialistischen Diktatur, gegen die auch die evangelische Kirche kaum Widerspruch leistete. Martin Niemöller war der erste Kirchenpräsident der EKHN. Der ehemalige Marine-Offizier ist ein Paradebeispiel dafür, dass Menschen zu Widerstand bereit sind, wenn sie die Erfahrung machen, dass ein kirchliches System ihre christlichen Überzeugungen ad absurdum führt. 

Die Ausstellung auf den in der Stiftskirche gezeigten Tafeln kann nicht alles erwähnen, aber sie ist geeignet, eigene Erinnerungen zu aktivieren. Sie ist als Anregung zur Erinnerung und zum Austausch über die Zukunft gedacht. Deshalb trägt sie den Titel „Erzähl‘ mir mehr!“

Im Rahmen der Ausstellung feiert die Gemeinde zwei Gottesdienste. Am Sonntag, 5. Februar um 10 Uhr gibt es im Gemeindehaus in der Mittelstraße 5 in Freiendiez einen Blick zurück auf die Zeit der Landeskirche. Am Sonntag, 12. Februar, 10 Uhr wird im Gemeindehaus am Schloßberg 13 auf die Herausforderungen und die Weiterentwicklung der kommenden Jahre geschaut.

Außerdem gibt es zwei Erzähl-Cafés, die zum Austausch mit anderen einladen. „Wie habe ich Kirche früher erlebt?“ heißt das Thema am Mittwoch, 8. Februar um 15 Uhr im Gemeindehaus am Schloßberg. Am Mittwoch, 15. Februar um 15 Uhr steht dann im Gemeindehaus in der Mittelstraße der Satz „Ich hoffe auf eine Kirche, die...“ im Mittelpunkt. Zu den Erzählcafés können auch gern Erinnerungen und Fotos mitgebracht werden von besonderen Gottesdiensten, Gemeindefesten, Konfirmationen, Hochzeiten oder auch Trauerfeiern.

Während einer Finissage am Mittwoch, 15. Februar um 19 Uhr in der Stiftskirche soll dann noch einmal ein Blick in die Zukunft gerichtet werden.

Die Wanderausstellung kann auch von anderen Kirchengemeinden ausgeliehen werden.

Hier gibt es mehr Informationen zur Schau.

75Jahre Ausstellungstafeln becrima

Kirchenjubiläum: Wanderausstellung für Erzählcafés

EKHN feiert 75-jährige Geschichte regional – Von Nazi-Widerstand, Gleichberechtigung über Bauboom bis zu Innovationen

 EKHN 75JahreLogo Erzaehl CMYKDARMSTADT/RHEIN-LAHN. (5. August 2022) Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) feiert in diesem Jahr ihr 75-jähriges Bestehen. Die EKHN wurde mitten in den Wirren der Nachkriegszeit am 30. September 1947 in Friedberg gegründet. Sie fußt auf der Fusion von ehemals drei evangelischen Landeskirchen in Nassau, Frankfurt und Hessen-Darmstadt. Ein Höhepunkt der Aktivitäten zum Jubiläum ist ein Fest am 1. Oktober in Friedberg. Das Programm für den Tag, der um 11 Uhr mit einem Gottesdienst in der Stadtkirche Friedberg beginnt, finden Sie hier. Direkt zur Anmeldung gelangen Sie hier.

Doch die Geschichte und Entwicklung der EKHN kann dank einer ausleihbaren Wanderausstellung vor allem in den Regionen und Kirchengemeinden in Erinnerung gerufen werden, um sie in einen aktuellen Kontext zu stellen.

Vor dem Hintergrund der aktuellen weltpolitischen Lage gilt das Jubiläum als eine Chance, über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Kirche ins Gespräch zu kommen. Deshalb steht es unter dem Motto „75 Jahre EKHN. Erzähl mir mehr!“. Dazu wurden zahlreiche Materialien erarbeitet, mit denen auch in den Kirchengemeinden des evangelischen Dekanats Nassauer Land in Erzählcafés, bei Ausstellungen oder in Gruppentreffen über die Kirche von einst, heute und in Zukunft ins Gespräch gebracht werden kann. 

Geschichte und Zukunft verbinden

Hilfreiche Impulse liefert dabei eine Wanderausstellung, die von den Kirchengemeinden ausgeliehen werden kann. Auf zwölf Tafeln werden demokratische Strukturen ebenso thematisiert wie strukturelle Umbrüche, Frieden und Gleichberechtigung, für die es Anknüpfungspunkte im Rhein-Lahn-Kreis gibt. Fünf Beispiele: 

Pfarrer Karl Amborn Stadt OffenbachDie Gründung der EKHN ist mit ihren demokratischen Strukturen deutlich geprägt von den verheerenden Erfahrungen des Nationalsozialismus, unter dessen Regime sich auch die evangelische Kirche an der Diskriminierung von Juden beteiligte. Die meisten Zeitzeugen von damals sind zwar tot. Aber es gab auch in den Gemeinden des Rhein-Lahn-Kreises Widerstand von der Kanzel. Pfarrer Karl Amborn aus Braubach ist einer der wenigen. Welche Konsequenzen hatten sie zu fürchten und wo gilt es heute, angesichts antisemitischer und nationalistischer Tendenzen Widerstand zu leisten?

So selbstverständlich heute mit Kerstin Janott bereits zum zweiten Mal eine Frau als Pfarrerin das Dekane-Amt zwischen Rhein, Lahn und Aar ausübt, ist es nicht. Die im vergangenen Jahr verstorbene Evelin Clotz – 1986 bis 2006 Gemeindepfarrerin in Dachsenhausen – war die erste Pfarrerin in der gesamten EKHN sowie darüber hinaus, die ihren männlichen Pfarrkollegen rechtlich vollständig gleichgestellt wurde, als sie gerade einmal vor gut 50 Jahren im August 1971 als erste verheiratete Theologin zur Pfarrerin auf Lebenszeit ernannt wurde. Welche Rolle spielen Männer und Frauen künftig in der Kirche, gibt es da überhaupt einen Unterschied?

AA Gtd110911Haende becrima Stark setzt sich die EKHN bis heute in der weltweiten Ökumene ein, engagierte sich früh gegen Rassismus und ungerechten Handel in Afrika. Mehr als 40 Jahre besteht eine offizielle Partnerschaft zwischen evangelischen Christen des Rhein-Lahn-Kreises mit dem evangelisch-lutherischen Distrikt Mabira in Tansania. Die Zusammenarbeit hat sich entwickelt und verändert; eine Jugendpartnerschaft schärft bei jungen Menschen die Verantwortung für ein globales Denken und Handeln. Ausbildungsprojekte stärken die Lebensperspektiven junger Menschen in Mabira. Gleich geblieben ist die Verbundenheit im Glauben. Während den meisten Deutschen die Lebensverhältnisse in der Welt entweder egal oder nur durch zufällige Medienberichte bekannt sind, sorgt die Partnerschaft ganz konkret und persönlich für eine Erweiterung des Horizonts mehr noch als über den „eigenen Kirchturm“ hinaus in die ganze Welt, ohne die der eigene Wohlstand undenkbar wäre. Aber wie beeinflussen Kriege und Aggressionen in der Welt und die wachsende Angst um den eigenen Wohlstand die globalen Beziehungen an der Basis?

MiehlenBauGH1962 WMaternIMAG6757Die zwölf Roll-Ups erinnern ebenso an die rege Bautätigkeit Anfang der 1960-er Jahre. Eines der vielen Fotos auf den Schauwänden dokumentiert den Bau des evangelischen Gemeindehauses in Miehlen, das 1963 eingeweiht wurde. Damals wurden solche Häuser gebaut, um den vielfältig engagierten Gemeindegruppen für jung bis alt Raum zu bieten. Neben dem Konfirmationsunterricht boten sie Raum für Chorproben, Frauen- und Männerabende, Bibelstunden, Konfirmierten-Treffen, Mutter-Kind-Austausch, Seniorennachmittage oder Gemeindefeste. Heute rücken die Gebäude angesichts ihrer hohen Unterhaltungskosten wieder verstärkt in den Fokus und sorgen für neue Kooperationen, wie es sie nicht nur im Osten des Kreises zwischen Kirche und Kommune bereits gibt. In welchen Bereichen lässt sich noch ressourcenschonend zusammenarbeiten?

NeuAnfangen Jute TascheStrukturreformen in der EKHN sind nichts Neues. Schon in den 1960-er Jahren wurde darüber nachgedacht, wie die evangelische Kirche um die Jahrtausendwende überhaupt noch handlungsfähig bleiben kann. Als in den 1970-er Jahren  NeuAnfangen Buchdie kirchliche Akzeptanz in der Gesellschaft auch statistisch nachweisbar zu bröckeln begann, initiierten EKHN und EKD die erste deutschlandweite Mitgliederbefragung. Mit der Wahl-Kampagne „Ein Christ lebt nicht im Schneckenhaus“ und dem Magazin „+++im Gespräch“ ging sie auch im Rhein-Lahn-Kreis auf ihre Mitglieder zu. Im Dekanat St. Goarshausen wurde zudem die Aktion „neu anfangen“ ins Leben gerufen, die sich mancherorts heute noch Menschen über ihre Alltags-Erfahrungen und den Glauben austauschen lässt. Neben neuen Gesprächsgruppen gehörte zum Auftakt neben praktischen Jute- (statt Plastik-) Taschen auch ein Büchlein zur Kampagne, in dem Christen aller Generationen aus der Region zwischen Loreley und Blauem Ländchen unter dem Titel „Lichtblicke“ über ihre Beziehung zum Glauben erzählten, was sie stört, was sie stärkt. Welche Medien werden künftig genutzt, den Kontakt mit Mitgliedern zu pflegen und zum Austausch einzuladen?

 

„Die Geschichte der EKHN ist ein Wimmelbild“, steht auf einer der Ausstellungstafeln. Erst der intensive Blick zeige die Erfahrungen in den Einzelgeschichten: Erfolge, Unfälle, Solidarität, Schuld und Hoffnung. „Alles ist getrieben vom Traum einer menschenfreundlichen Kirche, die Gott lobt“, heißt es im Begleittext zur Schau. „Die Geschichte der EKHN erzählt von ihrer Vielfalt – sie ist eine Stärke und macht Mut für die Zukunft“, formuliert Ulrike Scherf, Stellvertretende Kirchenpräsidentin zur Ausstellung.

Der zwölfteilige Überblick könne nicht alles zeigen, aber für Fragen anregen, über die die Menschen vor Ort ins Gespräch kommen können: Was ist uns wichtig? Was war entscheidend? Was lernen wir aus den Erfahrungen? Was prägt uns heute? Was macht für uns Kirche aus? Welche hitzigen Debatten haben weitergebracht? Was sind ganz persönliche Erinnerungen?

Die Wanderausstellung kann über die Propsteien bestellt werden. Hier finden Sie die Kontaktdaten. Außerdem informiert diese neue Internetseite über das Jubiläum und bietet zudem noch andere Arbeitsmaterialien. (bcm/sk)

Hintergrund

Die EKHN fußt auf einem Konstrukt, das unter nationalsozialistischem Druck entstand: die Evangelische Landeskirche Nassau-Hessen (1933-1945). Diese zerfiel nach Kriegsende wieder in ihre drei Bestandteile Nassau, Frankfurt und Hessen-Darmstadt. Vertreterinnen und Vertreter dieser drei Ursprungskirchen bildeten am 30. September 1947 in der Burgkirche in Friedberg die Gründungssynode, die den Willen bekräftigte, unter neuem Namen und mit einer neuen Verfassung die Kirchen erneut zu vereinen. Die Synode wählte am 1. Oktober 1947 Martin Niemöller zum ersten Kirchenpräsidenten, bestimmte die Mitglieder der ersten Kirchenleitung und setzte eine Kommission ein, die bis 1949 eine neue Kirchenordnung ausarbeitete.

Die Ausgangslage war dramatisch. 1947 lag Deutschland am Boden – auch die evangelische Kirche. Bei ihrem Neuaufbau waren Menschen mit sehr unterschiedlichen Perspektiven zu integrieren: Nazi-Opfer und immer noch überzeugte Nazi-Täterinnen und -Täter, Mitglieder der Bekennenden Kirche und der Deutschen Christen, reumütige Ex-Nazis, traumatisierte Kriegsopfer sowie Flüchtlinge und Vertriebene. Genug Gründe, um sich unversöhnlich gegenüberzustehen. Doch aus der gesellschaftlichen Zerrissenheit entstand Gemeinschaft. Wo Meinungen auseinanderfielen, einte der gemeinsame Glaube. Die EKHN entstand aus Ruinen, im Glauben an die Kraft der Veränderung und des Neuanfangs. (vr)


Oelschläger: Kirche ohne Demokratie geht gar nicht

FRANKFURT/RHEIN-LAHN. In einem Vortrag vor der Kirchensynode betonte deren früherer Präses Ulrich Oelschläger die demokratische Verfassung der evangelischen Kirche. Sie arbeite „nach den Spielregeln des Parlamentarismus“. Die Synode stelle als maßgebendes Organ der geistlichen und rechtlichen Leitung die Legislative dar, die Kirchenleitung sei die Exekutive und das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht eine unabhängige Jurisdiktion. Oelschläger betonte: „Kirche in der Demokratie ohne Demokratie in der Kirche, das geht gar nicht!“

Vom Widerstand gegen die Nazis geprägt

Die Leiterin des Zentralarchivs der EKHN Ute Dieckhoff stellte in ihrem historischen Überblick heraus, wie die EKHN vom Widerstand gegen den Nationalsozialismus geprägt wurde. Die neue, 1949 verabschiedete Ordnung der EKHN zielte darauf, Macht von der lokalen über die regionale bis hin zur Kirchensynode demokratisch zu legitimieren. Sie sollte nur kollegial und nur auf Zeit ausgeübt werden, also auf möglichst viele Gremien und Personen verteilt sein. Deshalb würden „alle leitenden Ämter durch Synodalwahl auf Zeit besetzt“. So sei auch das Bischofsamt einem Gremium mit dem Kirchenpräsidenten an der Spitze übertragen worden. Dieckhoff wies zudem darauf hin, dass es der EKHN gelungen sei, ganz unterschiedliche regionale, kulturelle und konfessionelle Unterschiede zu integrieren. Dieckhoff bilanzierte: „Der Blick in die Vergangenheit zeigt: Geprägt ist die EKHN durch die Bekenntnisvielfalt, durch den Aufbau von den Kirchengemeinden her, durch die verantwortliche Beteiligung der nicht-ordinierten Gemeindeglieder an der Leitung, durch das bewusst gemeinsam ausgefüllte Bischofsamt – und nicht zuletzt durch den Mut für Neues. Gerade das letztgenannte lässt für die Zukunft hoffen.“

Kirchenpräsident Jung: Aktive und innovative Kirche im Umbruch

Jung 2018 Portrait 1 EKHN NeetzAuch Kirchenpräsident Volker Jung ging auf das Jubiläum ein: „Dieses Jubiläum so richtig zu feiern fällt schwer. Zu viel lastet auf uns: der entsetzliche Krieg in der Ukraine, immer noch die Corona-Pandemie und auch eine große Verunsicherung, was die Zukunft bringen wird. Wir sind in einer gesellschaftlichen Transformation – durch die neu gewonnenen Möglichkeiten der digitalen Technologie, durch die riesigen Herausforderungen des Klimawandels und weltweiter sozialer Ungerechtigkeit. Jetzt kommt noch hinzu, dass die Sicherheitsordnung in Europa, die wir für stabil hielten, zerstört ist.“

Nach Jungs Worten war die 1947 gegründete EKHN in ihrer Historie „geistliche Heimat für viele Menschen und sie ist es auch heute“. In der EKHN seien gesellschaftliche Veränderungen immer sehr aufmerksam wahrgenommen worden. Damit habe sie immer zugleich gefragt, „wie Kirche sich verändern muss“. Oft seien von Hessen-Nassau innovative Impulse in den gesamten deutschsprachigen Raum des Protestantismus ausgegangen. Dazu gehörten in den 1970er Jahren neue Gottesdienstformen und neue geistliche Musik. Die EKHN habe interkulturelle Herausforderungen der Gesellschaft früh aufgegriffen und mitgestaltet. Sie sei zudem innovativ in der Weiterentwicklung der Seelsorge und in der Beratungsarbeit gewesen. Ein besonderes Markenzeichen sei auch der bundesweit einzigartige Jugendkirchentag. Dies mache exemplarisch deutlich, „wie vielfältig in der EKHN der Auftrag des Evangeliums gelebt wurde und wird, für Menschen in unterschiedlichen Situationen des Lebens da zu sein.“ (vr)

www.ekhn.de/75Jahre

Fotos: Matern/Neetz/Stadt Offenbach 

Nein, meine Söhne geb ich nicht!

Dekanin Renate Weigel zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs

RHEIN-LAHN. (8. Mai 2020) Heute jährt sich das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 75. Mal. Dekanin Renate Weigel hat dafür die folgenden Gedanken für die Website des Dekanats geschrieben, die auf dem biblischen Wort "Friede sei mit dir!" basieren. Ein Blick zurück und nach vorn. Am Ende des Beitrags finden Sie eine gestaltete PDF-Datei, die Sie auch gern ausdrucken und an Interessierte weitergeben können.

 

„Friede sei mit euch!“    Lukas 24, Vers 36

 

„Nein, meine Söhne geb ich nicht!“ 1986 machte der Sänger Reinhard Mey mit seinem Lied Furore. Der junge Vater lehnt darin den Dienst an der Waffe und jeglichen Kriegsdienst schlicht ab.

Ich unterschreibe bis heute jede Zeile dieses Liedes. Nicht nur als Mutter und Großmutter. Wir haben unsere Kinder nicht für einen Krieg in diese Welt geschickt! Als die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft wurde, war ich sehr erleichtert.

Wenn ich weiter zurückdenke, taucht eine Kindheitserinnerung zum Thema auf:

Wurde bei uns im Dorf ein Kind geboren, fragten die Frauen: Was ist es denn? Ein Mädchen? Wie gut! Dann muss es nicht in den Krieg!

Dabei war es genau diese Generation, die den Krieg zuvor ersehnt und begrüßt hatte. Die jungen Mädchen, zumindest auf dem Land, erhofften sich Abenteuer und Abwechslung. Die Jungen brannten darauf, Soldaten und Helden zu werden. Schnell wurden Sie eines anderen belehrt!

Ich habe als Kind die Männer im Dorf schweigsam erlebt. Unsere Väter hatten nachts Albträume. Viele Frauen waren Witwen oder ledig Gebliebene. Wenn wir Heranwachsende reden wollten über Krieg, Nationalsozialismus, Konzentrationslager, stießen wir auf Abwehr. Ging es um Juden, wurde die eisig.

Trotzdem und daneben erreichte mich aber auch eine andere Botschaft: „Wir haben Menschen als Feinde betrachtet, die wir gar nicht kannten. Dabei waren das doch auch Mütter und Väter und Kinder. Manche trugen Kreuze. Wie dumm, wie falsch war das!“ Ich wurde ermuntert, Sprachen zu lernen und zu reisen: „Lernt die Menschen hinter den Grenzen kennen! Dann müsst ihr nicht schießen!“ Der Gedanke „Europa“ hat uns als 16 -, 17-Jährige total begeistert. Er versprach Frieden. Was ist daraus geworden?

 „Friede sei mit euch!“

Was haben wir Christenmenschen beizutragen?

Eine Frau hat versucht, ein Mal im Leben die Bibel ganz zu lesen. Sie sagt mir: „Ich bin erschrocken, wie viel Gewalt in dem Buch steckt.“ Mich wundert das weniger. Fast alle Texte in der Bibel sind in Kriegs- oder Nachkriegszeiten entstanden, unter Fremdherrschaft im Exil oder Besatzung im eigenen Land. Die biblischen Schriften sind nah bei den Menschen, sie spiegeln Lebensrealitäten wieder. Umso erstaunlicher ist es, dass sich ein anderer Bogen durch Jahrhunderte in der Bibel zieht: Wenn „Gott“ gesagt wird, sind „alle Völker“ angesprochen.

So beginnt die Bibel: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Und aus der Erde formte er einen Erdling: Mensch.

Schon der Abrahamssegen richtete sich an „alle Völker der Erde“.

Eine der schönsten Friedensvisionen findet sich im Propheten Jesaja (25,6). Die Völker der Erde treffen sich auf dem heiligen Berg und sind von Gott eingeladen zum „fetten Mahl“.

Der „Geringste unter meinen Brüdern“ zeigt das Gesicht Jesu, nicht nur unter unseren Landsleuten. Und Jesu schickt seine Jüngerinnen und Jünger: „Gehet hin in alle Welt.“

Wenn von „Gott“ und „Friede“ die Rede ist, dann meint das übrigens in der Bibel nie (nur) einen innerlichen Seelenzustand. Friede geht mit Gerechtigkeit einher, sonst ist er kein Friede. Und wir wissen schon lange, dass die Bewahrung der Schöpfung dazu gehört.

„Friede sei mit euch!“

Was ist zu tun?

Ich habe in meinem Leben bisher keinen Krieg erlebt. Gott sei Dank! Aber Friede ist auch nicht.

Durch unsere Lebensweise fördern wir Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg in anderen Ländern. Wir verdienen Geld an den Kriegen, die geführt werden. Wir leben zu Lasten von Menschen, Tieren und Umwelt. Damit können wir uns nicht abfinden!

Dazu kommen wir aus einem fatalen Denkmuster nicht heraus, das immer zwei Schachteln hinstellt: Wir und die Anderen. In diese Falle tappen nicht nur Religionsgemeinschaften; die Länder Europas stecken in ihr fest. Wir und die Anderen: wir sind gut, ihr seid schlecht; wir zuerst, ihr kommt dann; wir sind zu schützen, ihr seid die Feinde… Auf solchem Boden wächst kein Friede.

Dabei sind die „wirs“ doch oft auch anders. Und bei „den Anderen“ kann ich unerwartet „wir“ finden. Gott meint mich und meine vermeintlichen Feinde auch. Wir gehören mit allen anderen sowieso zusammen, von Anfang an und solange die Erde sich dreht.
Gott schenkt uns Frieden, und er will, dass wir ihn stiften.

Soll ich träumen? – Ich nehme Träume ernst:
Nein, meine Söhne nicht und gar kein Kind mehr wird geopfert für einen Krieg. Und kein Menschenleben mehr für Wohlstand! Die „Wirs“ verbünden sich mit den „Anderen“ weltumspannend zu Schwestern und Brüdern. Wir riskieren es, Vertrauen zu haben. Kaufen-Benutzen-Wegwerfen ist nicht länger die Hauptdynamik in unserem Leben. Wir fangen an zu genießen, was da ist.

Das Leben ist kurz. Es ist ein Hauch und kostbar zugleich. Es ist schön.

Friede sei mit euch!

 

Eine gestaltete PDF-Datei können Sie hier herunterladen.

Ein Video des Beitrags finden Sie hier

Zum Gemälde:
„Die abrahamitischen Religionen“ hat die Künstlerin Ulrike Wenzel-Schütz ihr Ölgemälde in der evangelischen Johanniskirche Nassau genannt.

Hoffnungsblumen EKHN

75 Jahre Hessen-Nassau: Auch in Zukunft in Vielfalt für die Menschen da sein

Jubiläumstag in Friedberg mit großem Programm und vielen Gästen – Blumen aus Nassauer Land

FRIEDBERG/RHEIN-LAHN. (4. Oktober 2022) Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat am Samstag an ihrem Gründungsort Friedberg ihr 75-jähriges Bestehen mit einem Jubiläumstag gefeiert. In den Nachkriegswirren trafen sich am 30. September 1947 Delegierte aus den Regionen Hessen-Darmstadt, Nassau und Frankfurt zu einem „Kirchentag“. Es entstand in Friedberg die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau. Erster Kirchenpräsident wurde der NS-Widerstandskämpfer, U-Boot-Kommandeur und spätere Pazifist Martin Niemöller.

Kirchenpräsident Jung: Nach Aufgabe in der Welt fragen

01102022Jubilum11 By EKHN Rolf OeserDer amtierende EKHN-Kirchenpräsident Volker Jung sprach sich anlässlich des 75. Jahrestags der Gründung gegen eine Selbstbezogenheit der Kirche aus. Es sei wichtig, „immer wieder danach zu fragen, was unsere Aufgaben in dieser Welt sind und wie wir für andere und diese Welt da sein können“, sagte er am Samstag in einem Jubiläumsgottesdienst in Friedberg. Kirche müsse sich dafür einsetzen, „dass Menschen weiter auf dieser Erde leben können – friedlich und gerecht“. Als Beispiele nannte er das Eintreten für Frieden oder gegen den Klimawandel.

Die hessen-nassauische Kirche stehe zugleich für Vielfalt und Toleranz, erklärte Jung. „Dass es gut ist in der Vielfalt füreinander da zu sein und einander zu dienen, ist und bleibt eine tägliche Aufgabe“, sagte er. Dies sei zugleich mit dem Anspruch verbunden, „dass Menschen in unserer Kirche nicht ausgeschlossen werden oder ihnen gar Schaden zugefügt wird“. Wichtige Aufgaben heute seien deshalb auch Prävention und Inklusion.

Jung ging auch auf die Zukunftsperspektiven einer Kirche mit weniger Mitgliedern ein, in der das „Miteinander von Ehrenamt und Hauptamt und von den unterschiedlichen Berufen“ eine noch zentralere Rolle spielten. „Unsere Kirche lebt im Miteinander der verschiedenen Ämter und Dienste – auf allen Ebenen, in der praktischen Arbeit und im Dienst der Leitung. Das ist ein guter Weg, aber dieser Weg muss immer wieder neu und bewusst beschritten werden“, so Jung.

Präses Pfeiffer: Mit 75 Jahren weiter dynamisch

01102022Jubilum13 By EKHN Rolf OeserNach Worten der Präses der hessen-nassauischen Kirchensynode, Birgit Pfeiffer, „ist die EKHN auch nach 75 Jahren eine junge und dynamische evangelische Kirche, die eine große Vielfalt der Glaubensformen und Lebensformen vereint und sich engagiert in gesellschaftliche Debatten einbringt“. Die Gründer - „leider damals fast nur Männer“ - hätten zudem den Grundstein für eine von Haupt- und Ehrenamt gemeinsam nach demokratischen Spielregeln geleitete Kirche gelegt“.

Die „ausgeprägte synodale Kultur“ Hessen-Nassaus hat sich nach Ansicht Pfeiffers bis heute bewährt. Sie gab gleichzeitig zu, dass dies „manchmal anstrengend, aber immer offen und sehr verantwortungsbewusst“ geschehe. Es sei bemerkenswert, dass alle Leitungsämter von der Synode auf Zeit gewählt seien. So könne „immer wieder Rückbesinnung und Aufbruch“ zugleich erfolgen.

Bischöfin Hofmann: Zusammen, wenn es hart auf hart kommt

Die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Beate Hofmann, gratulierte im Jubiläumsgottesdienst „ihrer jüngeren Schwesterkirche“ sehr herzlich zum 75. Geburtstag. Wie bei vielen Familienbeziehungen gehe es immer Mittelschiff MathisEckertwieder „ziemlich verschieden“ zu, führte die Bischöfin in ihrem Grußwort aus: Mal komme man sich kulturell fremd vor, mal sehr vertraut. Manche Kooperation funktioniere gut und mühelos, anderes brauche viel Energie. Aber wie in vielen Familien gelte: „Wenn es hart auf hart kommt, dann halten wir zusammen, sei es nun eine Pandemie, ein Krieg oder Gegenwind aus der Politik oder von anderen Gruppierungen. Dann gibt es eingeübte kurze Wege und gemeinsame Sprachrohre.“

Bischof Kohlgraf: Begeisterungsfähig und leidenschaftlich bleiben

Der Bischof des Bistums Mainz, Peter Kohlgraf überbrachte die Grüße der katholischen Kirche und bezeichnete die EKHN als „junge Kirche“, der er wünsche, weiter jung zu bleiben. Dies bedeute, „offen und neugierig für die Welt, begeisterungsfähig, auch leidenschaftlich in ihrem Zeugnis für die Botschaft von Jesus und in der Liebe zum Nächsten“ zu 01102022Jubilum12 By EKHN Rolf Oeserbleiben. Wichtig sei es für ihn zudem, „dass wir uns als Christen unterschiedlicher Konfessionen nähergekommen sind und heute in vielen Bereichen gemeinsam unterwegs sind, gehört sicherlich zu den großen und guten Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte“. Er danke für das gute Zusammenwirken auf allen Ebenen, in den Gemeinden genauso wie auf der Leitungsebene

Ministerpräsidentin Dreyer: Junge Kirche mit tiefen protestantischen Wurzeln 

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer übermittelte in einer Grußbotschaft ebenfalls Glückwünsche zum Jubiläum. Sie bezeichnete die EKHN als „eine junge Kirche mit tiefen protestantischen Wurzeln“.  Sie reichten Jahrhunderte zurück, wie die Veranstaltungen rund um das Reformationsjubiläum 2017 eindrücklich gezeigt hätten. Inmitten der Trümmer des Zweiten Weltkriegs und nach dem Zivilisationsbruch der Schoa hätten die damals Verantwortlichen aus dem „verordneten Zusammenschluss dreier selbständiger Kirchen durch die Nationalsozialisten eine offene, demokratische und zukunftsfreudige Gemeinschaft entwickelt“. Nach Worten Dreyers stehe die EKHN mit Gottvertrauen „mitten in der Gesellschaft“ und sei für die Menschen da.

Festtag in Friedberg

01102022Stadthalle06 By EKHN Rolf OeserDie EKHN hatte am Samstag zunächst in einem großen Jubiläumsgottesdienst in der Friedberger Stadtkirche mit rund 500 Gästen aus Politik, Gesellschaft und der weltweiten Ökumene ihrer Anfänge vor 75 Jahren gedacht. Neben dem Bischof des Bistums Mainz, Peter Kohlgraf, und der Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Beate Hofmann, waren unter anderem die Bischöfin der Evangelischen Kirche in Baden, Heike Springhart, die pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst und die Kirchenpräsidentin der Evangelisch-Reformierten Kirche, Susanne Bei der Wieden, zu Gast. Die Feier ist als Aufzeichnung auch auf www.ekhn.de zu sehen. 

Danach begann in der Friedberger Stadthalle ein Festnachmittag, bei dem sich Hessen-Nassaus Kirchenregionen bei einem fast 20 Punkte umfassenden Programm mit dem Moderatoren-Duo Simone Kienast (HR) und Linus Kraus (SWR) präsentierten. Unter anderem standen der evangelische Liedermacher Clemens Bittlinger aus dem Odenwald oder die Band Shineaway aus dem Vordertaunus auf der Bühne. Das Motto des Nachmittags: „Erzähl mir mehr!“.

Den Tag in Friedberg schloss ein Erzähl-Konzert des christlichen Liedermachers Siegfried Fietz über den ersten hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten Martin Niemöller (1892-1984) ab. Motto des musikalischen Portraits: „Welch ein Leben!“ Am Original-Gründungsort der EKHN, der Friedberger Burgkirche, trat er auf. Besucherinnen und Besucher konnten sich dort in einer Ausstellung auch über die bewegte Geschichte Hessen-Nassaus informieren.

Andersorte und Blumen der Hoffnung von Kitas aus Nassauer Land

01102022Stadthalle14 By EKHN Rolf OeserZur 75-Jahr-Feier der hessen-nassauischen Landeskirche in Friedberg war auch das Dekanat Nassauer Land vertreten. Aus der Propstei Rheinhessen und Nassauer Land stellte Dekanin Kerstin Janott „Andersorte“ im Rhein-Lahn-Kreis vor, an denen Gottesdienste gefeiert werden. Sie wies auf die Tauffeste am Herthasee und an der Aar-Mündung in Diez hin und das Pfingstfest im Limeskastell, einem von drei Welterben im Dekanat. Außerdem wurde ein bunter „Blumenstrauß der Hoffnung“ mit den Festgästen geteilt. Kinder aus den evangelischen Kindertagesstätten im Nassauer Land hatten Blumen gebastelt, die als Erinnerung und Hoffnungszeichen verteilt wurden.

Hessen-Nassau heute

Heute hat die hessen-nassauische Kirche über 1,4 Millionen Mitglieder. Sie erstreckt sich von Biedenkopf im Norden über das Rhein-Main-Gebiet bis Neckarsteinach im Süden. Die EKHN umfasst auch Teile von Rheinland-Pfalz entlang des Rheins wie etwa die Regionen um Mainz und Worms sowie Montabaur. Volker Rahn

Zum Foto:
Mit einem Jubiläumstag hat die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) am Samstag an ihrem Gründungsort Friedberg ihr 75-jähriges Bestehen gefeiert. Viel Musik prägte das Festprogramm unter anderem mit Liedermacher Clemens Bittlinger. Pröpstin Henriette Crüwell stellte „Andersorte“ der Propstei vor, dazu zählte auch der Herthasee in Holzappel, an und in dem Dekanin Kerstin Janott schon Tauffeste feierte. Fotos: EKHN/Rolf Oeser/Mathis Eckert

08 KonfiMutprobe becrima

Advent im Nasssauer Land – 8. Tür

RHEIN-LAHN. (8. Dezember 2020) Heute öffnet sich wieder ein Türchen am Adventskalender mit persönlichen Gedanken von Dekanin Renate Weigel:

Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.   Lukas 1, 37

Konfirmanden kommen schon mal auf die Idee, diesen Satz als Konfirmationsspruch zu wählen. Auch gerne nehmen sie: „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.“ Psalm 18, 30.

Das sind starke Sätze.

Ich vermute, dass sie die Allmachtsphantasien der heranwachsenden jungen Männer bedienen.

Gott kann alles, was ich will. Oder: Mit Gott kann ich alles, was ich will. – So funktioniert es nicht. Der „allmächtige“ Gott nimmt mir nicht mein Leben ab, entlässt mich nicht aus der Verantwortung, macht es mir nicht leichter und verschont mich nicht vor den Konsequenzen meines Tuns.

In meinem Leben gilt: Ich bin dran. Ich bin zuständig.

Weil das für jeden Menschen gilt, können wir einander begleiten, aber nichts abnehmen.

Bei Gott ist kein Ding unmöglich. Die zu alte Elisabeth wurde doch noch schwanger. Ein Wunder. Die Schwangerschaft, die Geburt, das Verstummen des Ehemannes, das Großziehen des Kindes, das Aushalten seines Schicksals – wenn sie es denn erlebt hat – das musste Elisabeth bewältigen.

Bei Gott ist kein Ding unmöglich. Gott nimmt mir nicht ab, was mir zu viel wird. Aber er macht neue, ungewohnte Räume auf. Kann ich mehr, als ich denke? Kann ich anders, als ich es jetzt sehe? Was ist zu tun, was ist zu lassen? Wie viel „müssen“ ist gar nicht nötig?

Am Ende geht es im Leben und Glauben nicht um eine „Mächtigkeit“, sondern um Hingabe.

Dekanin Renate Weigel